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Dr. Krause in Dresden. Als er selbst am 5. August 1879 die Augen schloss, hinterliess er eine einzige Tochter, die ihm während einer langen Reihe von Jahren die alleinige treue Pflegerin seines Alters gewesen war.

     Indem ich dazu übergehe, von seiner wissenschaftlichen Thätigkeit zu sprechen, wiederhole ich, was bereits oben angedeutet worden ist und überdies als bekannt vorausgesetzt werden darf, dass sich dieselbe während seines ganzen Lebens im Wesentlichen auf ein bestimmt umgrenztes Gebiet geschichtlicher Forschung beschränkte: die Lebensgeschichte Luthers und die Geschichte der Einführung der Reformation in Sachsen. Wenn jedoch die unzweifelhaft richtige Bemerkung, dass Seidemann ein Specialforscher war, zu der Vorstellung Anlass geben sollte, dass sein wissenschaftliches Streben in einer an das Wesen eines undisciplinirten Dilettantismus nahe angrenzenden Einseitigkeit sich verloren hätte, so müsste diese Vorstellung als eine vollkommen irrige zurückgewiesen werden. Der Liebhabereifer, der ihm als Specialisten eigen war, war nicht von der Art, dass er den für die Geschichtswissenschaft insgesammt giltigen Forderungen einer strengen Methodik fremd gegenüber gestanden hätte, und eine nähere Kenntnis seiner Persönlichkeit zeigt, dass seine Gelehrsamkeit sogar eine sehr vielseitige, der Umfang seiner geistigen Interessen ein sehr grosser gewesen ist. In der spanischen Literatur besass er eine nicht gewöhnliche Kennerschaft, die Entwickelung der modernen Philosophie verfolgte er mit lebhafter Theilnahme, und auch auf die Gegenstände der Natur richtete sich sein für jede Art scharfer Beobachtung geübter Blick mit Liebe und gründlichem Verständniss. Als Beweis für die letzte Angabe will ich nur anführen, dass er 1840 in der Blumenzeitung unter Nennung seines Wohnortes und seines Amtstitels bekannt machte, dass er gern Lieblinge eines von ihm selbst gezogenen Nelkenflors mitzutheilen bereit sein würde, wenn er gewiss sein könnte, sie in gute Hand und Pflege zu bringen, und dass fünf Jahre später wirklich ein Nelkenfreund in Muskau, dessen Sammlung durch eine Ueberschwemmung zerstört worden war, unter Berufung auf seine herzlichen Worte bei ihm sich die versprochene Hülfe erbeten hat.

     Seine historischen Publikationen eröffnete das Schriftchen „Eschdorf und Dittersbach. Beiträge zur sächsischen Dörfer-, Adels-, Kirchen- und Sittengeschichte“, welches

Empfohlene Zitierweise:
Franz Schnorr von Carolsfeld: Zur Erinnerung an Johann Karl Seidemann, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde. Wilhelm Baensch Verlagshandlung, Dresden 1880, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Johann_Karl_Seidemann.pdf/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)