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Johann Gottfried Scheibel: Ein Wort brüderlicher Belehrung über die lutherische Kirche und die unternommene Vereinigung derselben mit der reformirten Kirche zu einer einigen evangelischen Kirche. Für die lutherischen Gemeinen Breslaus 1830 abgefaßt

und Superintendenten Dr. Tittmann verfaßt wurden. m)

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 10. In diesem Glauben gedieh unsere Kirche herrlich. In dieser ihrer bestimmten Ueberzeugung hatte sie, wie Paulus zu den Ephesiern gesagt, (Ephes. 4, 11.) eine Menge Apostel d. i. Missionarien, Schriftforscher, Hirten und Lehrer, d. h. Seelsorger und Forscher der Lehre, Evangelisten d. h. Kirchengeschichtsforscher und Propheten, d. h. heilige Liederdichter. Jedes Land hatte nach christl. Freiheit seine Agende, d. h. kirchliche Collecten- und Gebet-Bücher, so wie eine Menge Gesangbücher, in denen die Zahl der Lieder bis zu 60,000 stiegen. Frömmigkeit und heiliger Sinn wurde überall durch die Ehrfurcht gefördert, die man vor dem allmächtigen Herrn als lebendigen Gott und dessen Wort hatte. Ihre Bestimmung und ihr Gang zeigte sich ganz dem ähnlich, was die Schrift von der Gemeine von Ephesus sagt. Indeß auch Ephesus Schwäche traf sie. Nach ihrem letzten Kampfe im dreißigjährigen Kriege fieng sie an ihre erste Liebe zum Herrn zu verlassen. Die reformirten Theologen machten also wiederholentlich Pläne zur sogenannten Union d. h. Vereinigung der lutherischen Kirche mit ihr, um unter diesem Namen sie, wie einst Moab Israel, zu ihrer Ansicht zu bringen. Daher wurden Gottesdienst, Inhalt der Bekenntnißschriften und Gesangbücher möglichst den unsern genähert. In Hinsicht nun des Gottesdienstes und der Agende geschah dies, wie wir sahen, schon in England, im sechzehnten Jahrhundert, und daher machten schon 1703 reformirte Prediger in Berlin den Entwurf, ähnlichen Gottesdienst (man nennt dies Liturgie) und Agende, wie in England, auch in den preußischen Staaten bei beiden Confessionen einzuführen, um sie zu vereinigen. Aehnliches entwarf nun der reform.

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Johann Gottfried Scheibel: Ein Wort brüderlicher Belehrung über die lutherische Kirche und die unternommene Vereinigung derselben mit der reformirten Kirche zu einer einigen evangelischen Kirche. Für die lutherischen Gemeinen Breslaus 1830 abgefaßt. Joh. Phil Raw, Nürnberg 1837, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Johann_Gottfried_Scheibel_-_Ein_Wort_br%C3%BCderlicher_Belehrung_%C3%BCber_die_lutherische_Kirche.pdf/27&oldid=- (Version vom 9.10.2016)