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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

folgend, als ächter Künstler die Schätze von Altrussland benutzte und an sich das Beispiel gab, wie sie fruchtbringend auch für die Sprache sein können, wenn wir sie nur mit Geschick zu benutzen wissen. Wir haben noch nie in dem Style eines russischen Schriftstellers eine so erstaunliche Verwandlung gesehen, wie sie das russische Alterthum durch seine schöne Diction in seiner Sprache hervorgebracht hat. — Allzufrühe verlor unsere Literatur Denis Dawydow; er war unser Horace Vernet in der militairischen Prosa; mit den lebendigsten Farben zeichnete er die Schlachten, bald schritt er in wohlgeordneten Reihen auf und ab, dann fuhr er auf wie die flackernde Flamme und erdröhnte mit dem Donner des Geschützes, bald lagerte er sich wieder wie eine dichte Rauchwolke über das ganze Bild: in ihm wiederhallte die ganze wilde Harmonie der Schlacht. Das Schicksal gestattete ihm nicht, die Reihe der Kriegsbilder zu vollenden, die er angefangen. — Wir haben noch einen zweiten Schriftsteller, dessen Seele, genährt mit den Erinnerungen des denkwürdigen Jahres 1812, ihre Gefühle in entsprechender Weise ausdrückte. Das ist Glinka: das kräftige Gefühl für alles das, was Grosses, Schönes und Moralisches im Vaterlande ist, erwärmt seinen originellen Styl. Kaum erglüht seine Seele in diesem Style, so schmückt sich seine Sprache mit den strahlenden Funken überraschender Wendungen und Epitetha. Wir möchten wünschen, dass das Andenken an unsern Ruhm recht oft seine feurige Seele entzündete. — Zu den eifrigen Nachfolgern Karamzins, welche besonders seinen Styl sich aneigneten und seine Grundsätze weiter zu verbreiten suchten, muss man auch Nikolai Grecz zählen. Er untersuchte, der Erste, die Sprache Karamzins, entwickelte aus ihr wissenschaftliche Regeln und führte in seinen ersten Arbeiten die grammatische Regelgerechtheit auf die sichere Stufe der Schönheit. Während Grecz mit allem Fleisse die Wissenschaft seiner Muttersprache bearbeitete und unter dem Einflusse der guten Schule Karamzins selbstthätig für dieselbe wirkte, beschenkte er neben seinen eigenen Schöpfungen die russische Literatur auch mit dem Style Bulgarins. Ja, Bulgarin ist, nach seinem eigenen Geständnisse, ein Schüler von Grecz; diesem verdankt unser Publikum den Verfasser des Wyżigin; der Styl Bulgarins ist eine überraschende Frucht der Grammatik Grecz’s. Das Hauptmerkmal desselben ist die grammatische Regelgerechtheit und Vollendung der Form; sie gewährt dem uns Verbrüderten, welcher bei uns und unter uns nicht mehr in seiner Muttersprache schrieb, eine genügende Vertheidigung und Beschützung. — Bulgarin und Senkowski, Beide uns verbrüdert hinsichtlich der Sprache, schrieben Beide ehedem polnisch und schreiben jetzt russisch; sie Beide beweisen durch ihr Beispiel die Grundlosigkeit der Meinung jener, welche von dem Einflusse der nahen Schwesterdialecte der russischen Sprache grosse Vortheile für die Bereicherung derselben erwarten. Es ist merkwürdig, dass diese beiden Schriftsteller auch gar nichts aus dem Polnischen in das Russische hineintrugen, was wir uns aneignen könnten. Bei dem Ersten von ihnen sieht man keine Spur des Polnischen; er wusste in seinen russischen Schriften seine polnische Abkunft vollkommen zu verbergen. In gewisser Hinsicht hat das seiner Originalität Eintrag gethan, denn für uns wäre es weit angenehmer, in seinen Schriften den Polen wieder zu finden, der aber russisch schreibt. Bei Senkowski bemerkt man den Polonismus nur in der Gestalt von Fehlern gegen die russische Sprache, welche in einer unzulänglichen Kenntniss derselben ihren Grund haben; nicht aber in der Gestalt von kühn eingeführten Neuerungen, gegründet auf den freien und offenen Wunsch, die beiden verschwisterten Dialecte einander zu nähern.

 Ein anderes ist es mit einem zweiten uns durch die Sprache Verbrüderten, mit Osnowjanenko: er ist ein Kleinrusse, wenn er auch grossrussisch schreibt; und gerade das giebt ihm ein grosses Gewicht bei uns und grossen Reiz, denn es hat den grössten Einfluss auf die Originalität seines Charakters und bringt unserer Sprache mancherlei Vortheile. Seine Sprache ist russisch, aber mit dem eigenthümlichen, kleinrussischen Accent, welcher einfach und gerade so, wie er aus der Seele sich entwickelt, unter seiner Feder sich beugt, so zu sagen noch warm, noch nicht abgekühlt, ohne sein südliches Colorit abgestreift zu haben.

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/69&oldid=- (Version vom 6.10.2022)