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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Vorlesungen zu halten. Sein Geist wusste sogleich die eigenthümliche Stellung vollkommen aufzufassen, und in kurzer Zeit versammelte sich eine solche Anzahl lernbegieriger Jünglinge aus allen Gewerbszweigen um ihn, dass er nun mit dem glücklichsten Erfolg und mit der sichern Ueberzeugung wirken kann, seine Mühe und Anstrengung sei nicht eine vorlorene. Dies veranlasste den thätigen, in der vollen Kraft des Mannesalters stehenden Freund seines Volkes, die Ergebnisse seiner Studien in diesem ihm sonst fern liegenden Gebiete auch in einem weiteren Kreise zu verbreiten. Er entschloss sich also, unter dem Titel: „der Gewerbebote“ eine in zwanglosen Heften erscheinende Zeitschrift herauszugeben, welche in einer gemeinfasslichen Darstellung die wichtigsten, in das industrielle Leben eingreifenden Resultate der Naturwissenschaften in dem Hause des niedern Bürgersmannes, sowie selbst in der Hütte des Bauers bekannt machte. Das Blatt erfreut sich einer grossen Ausbreitung und der Einfluss, den es ausübt, ist unermesslich. Neben dem Gewerbeboten erscheinen auch, von der ökonomischen Gesellschaft herausgegeben, „die ökonomischen Blätter“ in böhmischer Sprache; sie enthalten neben mancherlei Belehrungen über Feldbau, Wiesenkultur, Viehzucht und dergl. auch noch Nachrichten über Erfindungen und Entdeckungen in diesen Fächern; zur Aufheiterung und Zerstreuung für den Landmann, für welchen diese Blätter eigentlich allein bestimmt sind, werden jedem Hefte auch noch kurze Erzählungen und Anekdoten, kleine Gedichte und dergl. beigegeben. Die ganze Einrichtung des Blattes ist eine höchst glückliche zu nennen; allein die Redaction ist Händen anvertraut, welche einer solchen Arbeit nicht ganz gewachsen sind, und daher kommt es auch, dass man mit den ökonomischen Blättern nicht ganz zufrieden ist; sie könnten viel, viel mehr leisten, wenn sie kräftiger, nationeller, mit einem Worte umsichtiger geleitet würden.

 Neben diesen Blättern erscheint nun alljährlich eine Reihe von anderen Schriften über dieses Fach in böhmischer Sprache; sie finden schnellen Abgang, wenn sie nur irgend einen Werth haben, und das ist der sicherste Beweis, mit welchem Feuer sich die böhmische Nation den Gewerben zugewendet hat. Noch vor einem Decennium trieb ein Jeder sein Handwerk, wie er es vom Meister und Altgesellen überkommen, und bei dem alten Schlendrian fiel es Niemandem ein, über den Grund nachzudenken, warum das gerade so und nicht anders gemacht werde, noch über Verbesserungen und Vervollkommnung nachzusinnen. Jetzt ist das ganz anders; seit die böhmische Literatur sich auch des Gewerbefaches angenommen, seitdem sie Kenntnisse über dasselbe, sowie Nachrichten über Verbesserungen und neue Erfindungen für dieselben durch Schriften und Journale in immer weiteren Kreisen zu verbreiten bemüht ist: seitdem hat sich auch unter dem böhmischen Gewerbestande, welcher bis dahin einer bewegungslosen Masse glich, ein neues Leben, eine Regsamkeit und Thätigkeit, ihren Zustand zu verbessern und ihre Kenntnisse und ihre Geschicklichkeit zu vervollkommnen, zu zeigen angefangen, wie man sie keineswegs erwarten konnte. Es ist dies ein neuer Beweis, wie wohlthätig es wirkt, wenn man ein Volk durch das Mittel seiner eigenen Nationalsprache zu heben sucht. Nur in diesem Falle nimmt es das Dargebotene als sein Eigenthum an und schaltet mit demselben nach Gutdünken. Auch in Böhmen ist erst jetzt dieser Geist erwacht und die Wirkungen, die er in kurzer Zeit geäussert, sind höchst erfreulich. Schon zeigen sich dieselben an den glänzendsten Beispielen, und wenn ihrer bisher nur wenige allgemein bekannt geworden sind, so liegt es mehr an der Bescheidenheit, welche das eigene Verdienst nicht vor aller Welt Augen stellt, sondern im stillen Wirken ihren Lohn in sich selbst findet. Ein solches Beispiel erzählt uns Herr Hurban, der Slowake, in seiner „Reise nach Böhmen und Mähren.“ In der Stadt Teinitz fand er unter andern eine Anstalt für arme Handwerker, aus deren Fonds armen oder anderswie unschuldigerweise herabgekommenen Handwerkern alljährlich bedeutende Summen nach Umständen bald zu geringen, bald ohne alle Zinsen ausgeliehen werden. Ferner war hier eine Schulbibliothek, welche bei der Matice czeska und der Stiftung des heiligen Johannes des Täufers betheiligt war; ausserdem eine Baumschule, von deren Ertrag

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/52&oldid=- (Version vom 14.9.2022)