Seite:Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft 1 (1843).pdf/438

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

ist, um von der fremden Sprache nur so viel zu erlernen, als der gewöhnliche Mensch zu seiner Deutlichmachung bedarf. Was kann aber dann daraus folgen, wenn das Volk von solchen unnatürlichen Schulen offenbar nur von da an Nutzen ziehen kann, wenn es erst anfängt zu verstehen, wovon man spricht. Darum muss in solchen Schulen wenigstens viel Zeit und Mühe verschwendet werden, und dafür soll das Volk dankbar sein?

 Die wahre Aufklärung fängt bei allen europäischen Völkern erst in unseren Tagen an, ihre wohlthätige Herrschaft auch in die unteren Menschenklassen zu verbreiten. Darum haben auch wir noch keineswegs unsere Arbeit vollendet, noch vom aufrichtigen Streben nachgelassen; dass wir aber, durch unglückliche und ungünstige Umstände ohne unsere Schuld aufgehalten, uns ein wenig verspätet haben, ist wahr, aber auch das wird sich zu unserem Besten wenden, sobald unsere gerechte Hoffnung, unser heissester Wunsch erfüllt wird, sobald wir nämlich Schulen erhalten, die zweckmässig eingerichtet, dem Geiste der Gegenwart und unseren Bedürfnissen angemessen sind, wahre Volksschulen, niedere und höhere, welche wie anderwärts die Möglichkeit verschaffen, dass unser ganzes Volk von wahrer Aufklärung im Geiste der Nation mittelst unserer nationalen Sprache durchdrungen würde. Dann wird auch unsere allseitige Bildung schneller sein und frischere Kraft gewinnen, selbst im Handel und in den Gewerben wird ein neues Leben sich erbeben. Die gegenwärtige Befähigung und den festen Willen unserer Handelsleute beweist über allen Zweifel hinaus das Drängen von Menschen jeder Klasse zu den czechischen Realschulen, welche hie und da in unserem Vaterlande (namentlich in Zbraslaw, Blatno, Pilsen, Klatau, Kriwoklack u. a. a. O.) wie helle Morgensterne aus der Morgendämmerung sich erheben, es beweist es die Ausdauer und die Fortschritte der Schüler, welche, obgleich von allen Seiten zusammengeschlagen, doch zum lieblichen Schrecken der Freunde der Aufklärung herbeieilen, um die willkommene Gelegenheit gewissenhaft zur Nachholung dessen zu benützen, was sie in ihrer Jugend ungern vermissten und welche ihre Unterhaltung, ja selbst die festtägige Ruhe, die sie nach schwerer Arbeit so sehr bedürfen, ihrer weitern Ausbildung gern zum Opfer bringen.

 Was dagegen die Welt in dieser Hinsicht in alten Zeiten von den Deutschen gedacht hat, kann der Herr Professor von Tacitus erfahren, der Etwas von einer Bärenhaut erzählt, auf der gewisse nordische Barbaren (aber keineswegs die Slawen) so lange zu faullenzen gewohnt waren, bis die Noth sie trieb, einen Bären mit einem andern Felle zu suchen (Es ist überhaupt merkwürdig, dass man sich so oft auf Tacitus beruft, als lobe er die Deutschen; uns scheint das eher ein Tadel als eia Lob, wenn ein Fremder seine Landsleute tadelt und mit Eifer auf ihre Besserung dringt, und ihnen dabei bisweilen, um sie destomehr zu beschämen, mit stolzer Verachtung auch hie und da auf die Nachbarn hindeutet, dass sie sogar von diesen in dem Einen oder dem Andern übertroffen würden, obgleich sie wahre Barbaren seien, oder dass ihnen jene ähnlich seien, die in ihrer rohen Wildheit z. B. selbst ihre Kinder, ihre Frauen, und endlich auch sich selbst im Spiel einsetzten und verspielten). Wir kennen zwar noch bis zur Stunde deutsche Gegenden, von deren Bewohnern man mit allem Rechte behaupten könnte, was Heffter von der Betriebsamkeit der Slawen schrieb; aber diese hindern uns nicht, etwas weiter zu blicken und neben ihnen andere Länder zu finden, in denen grössere Arbeitsamkeit und Kultur herrscht; darum hat auch Keiner von uns noch über das ganze deutsche Volk abgeurtheilt, wie es so mancher aus demselben und besonders Heffter über uns thut.

 Von der Reinlichkeit der Slawen könnten wir manches gute Beispiel anführen; allein wir unterlassen es, weil Heffter seine Behauptung, als könne „der Slawe sich und die Seinigen ruhig im Schmutze, im Elende umkommen sehen,“ im Augenblicke darauf wieder vernichtet.

 Der Treulosigkeit und der Habsucht beschuldigen uns die Deutschen ausserordentlich

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/438&oldid=- (Version vom 14.2.2021)