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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

der Slawen zusammenzusetzen, dürfte ausserordentlich schwer sein; das leuchtet indess auf den ersten Blick ein, dass jede Eigenschaft durch eine ihr entgegenstehende aufgehoben wird, und dass somit Nichts, wenigstens[WS 1] nichts Gutes für die Slawen mehr übrig bleibt. Wir wollen nicht die Widersprüche alle aufdecken und begnügen uns damit, eine Antwort aus der böhmischen Zeitschrift Kwêty (1843. Beilage XIV.) hier zu übersetzen. Der böhmische Kritiker sagt, er wolle die Aufforderung des Verfassers zu einer strengen Kritik jener Ereignisse auch auf ihn übertragen und fährt dann so fort: „Wie tief unter seinen Landsleuten stellt Heffter das ganze slawische Volk. Er konnte also an seinen Vorfahren, den Deutschen, keine, auch nicht die geringste Makel auffinden, sondern sammelte alles grösste Lob, was er vielleicht irgendwo verzeichnet fand, und schliesst seinen zwar kurzen, aber kräftigen Lobgesang auf dieselben mit der Ertheilung aller Tugenden überhaupt. Trotz dem bezeigt er bei der Erzählung der Geschichte selbst offenbar, dass die Franken (der wichtigste und berühmteste deutsche Volksstamm, da er nach des Verfassers Bestätigung den wirklichen Grund legte zu dem Ruhme und der Ehre des deutschen Reiches, weil er seine Macht und Aufklärung auf die übrigen Stämme übertrug), dass dieselben Franken zur Zeit der Regierung des Königs Chlodwig „durch Intriguen und allerlei Schandthaten“ zuerst den ebenfalls deutschen Stamm der Baiern unterjochten u.s.w. Das erzählt der Professor von den Deutschen, ihren Stammesbrüdern gegenüber, und trotz dem fand er keinen Fehler in ihrer Handlungsweise gegen die Fremden, sondern behauptet, sie hätten stets nur gezwungen und zur Selbstvertheidigung nach den Waffen gegriffen, niemals aber selber Krieg angefangen! Hinsichtlich der Römer wollen wir das zugeben; allein Heffter spricht von den Slawen, und da erfahren wir in der That etwas Neues in jener Behauptung, obgleich wir denken, der Herr Professor werde bei uns wenig Schulkinder finden, die ihm diess glaubten oder ihn nicht vielmehr des Irrthums oder der Unbill ziehen. Wir halten dafür, dass „die Thaten“ am besten den menschlichen Charakter beweisen. — Dem Slawen dagegen schreibt er allgemein (also allen) als Regel zu: Trunkenheit, Gemächlichkeit, Falsch, Unbeständigkeit und Verschlagenheit, Nichtachtung des Rechtes Anderer und Grausamkeit, Treulosigkeit, vorzüglich aber Uneinigkeit, Geiz und Bequemlichkeit, welche ihm überall schadet, um deretwillen er „Vieles über sich ergehen lässt, was ein reges, edleres Gemüth schwerlich so hinnehme.“ Wie verträgt sich aber das mit der fernern Beschuldigung, dass nur die Slawen überall Ursache zum Kampf gegeben und ihre Nachbarn zur Vertheidigung gezwungen und auf diese Weise das Schicksal ihrer gegenwärtigen Unterwerfung verdient hätten? — In Hinsicht der Trunkenheit haben die Slawen bisher noch nirgends einen so berühmten Namen sich erworben, als die Deutschen. Schon Tacitus kannte diese ihre Schwäche oder Stärke. Ebenso fanden ihre Ritter bekanntlich keine grössere Freude als im Weine sich gleichsam zu baden, in welchem sie herzlich gern ihren Verstand versenkten; ihre Sänger sangen bei Wein, ja sie besangen sogar nicht selten die grössten Säufer als ausgezeichnete, berühmte Helden, und die grösste und liebste Ehrenbezeugung war ihnen das Zutrinken von Wein. Darum findet man auch nirgends so viele Trinkgeschirre und namentlich so ungeheure Kelche, auf welche die Sammlungen deutscher Alterthümer so stolz sind; neben ihren, wahrhaft erstaunenswerthen Humpen verschwinden unsere bescheidenen Kelche, wie der Fingerhut neben einer Bütte, oder besser wie ein Tropfen neben dem Eimer. Noch heutzutage ist die „norddeutsche Bodenlosigkeit“ ein in Deutschland selbst gebrauchtes Sprichwort! Weiss vielleicht der Herr Professor, wo die Gasthäuser solche Bedürfnisse am besten befriedigen? die Deutschen selbst gaben in dieser Hinsicht unlängst in den norddeutschen Ländern, besonders in Hamburg Maasse an, vor denen wir armen Slawen früher zusammenschauderten und sie trotz der Anführung in statistischen Schriften nicht glauben wollten, durch welche wir aber nun, so sehr wir auch gegen starke Getränke sind, zur vollständigen Zufriedenheit mit unsern

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/436&oldid=- (Version vom 14.2.2021)