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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Lage des Tempels zu Plön war unweit des Plöner-See’s, und die mit grösster Wahrscheinlichkeit im Burgwall bei Garz gefundene Stelle von Karenz, so wie die muthmassliche Stelle des Pizamar-Tempels auf Jasmund in der Stubniz, die sogenannte Herthaburg, zeigen beide Seen. Von Colberg, wo gleichfalls Tempel standen, meldet Thietmar Chron. VII, 52, Perz V, 859: Fana idolorum destruens (Reinbernus) incendit, et mare daemonibus cultum, immissis quatuor lapidibus sacro chrismate perunctis, et aqua purgans benedicta, novam domino omnipotenti propaginem in infructuosa arbore, id est in populo nimis insalso — plantationem eduxit. Ratzeburg, wo der Sage nach die Siwa verehrt wurde, liegt an einem See, und eben so soll, wie die Tradition will, anderer dergleichen Oerter zu geschweigen, nach Lienhart Versuch einer Geschichte von Krain II, 288, auf der Insel des Feldersee’s in Krain der Tempel des Radegast, zu dem eine hölzerne Brücke geführt haben soll, gestanden haben. Als nun das Christenthum siegreich durchgedrungen war, fiel alles Tempeleigenthum, und also auch die Seen, theils an die Fürsten, welche ihrerseits wieder die neuerrichteten Tempel ausstatteten, wie denn dies Saxo von Arkona bezeugt, lib. XIV, ed. Steph. 324: Rex oppidanos in fidem hac lege recepit — ut simulacro cum sacra pecunia tradito — quin etiam ut agros ac latifundia deorum in sacerdotum usus converterent, oder die Bekehrer nahmen, wie die oben angeführte Stelle aus dem Ebbo darthut, gleich selbst diese Einkünfte für die gestifteten christlichen Kirchen in Anspruch, oder aber sie wurden, wie zum Beispiel der See bei Garz nach Wackenroder altes und neues Rügen Th. II, B. II, c. 3, pag. 240, Gemeindeeigenthum. Der Begriff der Heiligkeit solcher Seen ging denn natürlich mit dem Glauben an die alten Gottheiten unter, doch aber hat er sich manchmal in den Volkssagen auf merkwürdige Weise erhalten, und es ist Orten, an denen sich dergleichen vorfinden, wohl eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. So gibt es, um ein Beispiel anzuführen, von dem schwarzen See in der Stubniz auf Rügen, eben demjenigen, an welchem der wahrscheinlichsten Vermuthung nach, der Tempel des slawischen Pizamar lag, folgende interessante Sage, die ich bei Wackenroder altes und neues Rügen, Th. I, B. I, c. 5, pag. 5 und Schwarz kurze Einleit. z. Geograph. des Norder-Teuschlands slaw. Nation II. Abth., pag. 160, not. †. aus Chytraeus lib. I, Saxon. angeführt finde. Sie lautet: Es habe einmal ein Bauer auf diesem See fischen wollen, und wie er gegen Abend sein Boot darauf gebracht, sich am anderen Tage desselben zu bedienen, habe er dasselbe des anderen Morgens nicht auf dem Platze gefunden, wohin er es gestellt habe. Er habe sich dann danach umgesehen, und es endlich auf dem höchsten Gipfel einer unweit stehenden hohen Buche gefunden. Voll Verwunderung darüber habe er ausgerufen: We het dy da henupschlengt? worauf eine schreckliche Stimme geantwortet habe: dat hef ick un min Broder Nickel dahn! Bei diesen Worten habe der Bauer noch ein höhnisches Gelächter gehört. Wackenroder nennt den Bruder Michel und setzt hinzu, dass noch zu seiner Zeit (1732) der See wegen der Gespenster übel berüchtigt sei. Man durchsieht die mythische Bedeutsamkeit der Sage leicht. Die altheidnischen Götter mussten sich es überall gefallen lassen, von den siegenden Christenpriestern als Unholde und Dämonen dargestellt zu werden, und das Volk behielt sie lieber in dieser Gestalt bei, als dass es ihnen ganz entsagt hätte. Ein göttliches Wesen also versetzte den Kahn auf die Buche, welches den Frevel nicht dulden wollte, sein geheiligtes Eigenthum durch den Menschen berührt zu sehen. Der See war heilig, und man durfte im Alterthume darauf nicht fischen; das deutet die Sage durch die erzählten Fakten an. Es war eben so bei den Slawen verboten, wie bei den Preussen, und bei beiden Stämmen hatten die Tempel geheiligte Felder und Seen. Das sind die Vermuthungen, die man aus allen Umständen wohl als hohe Wahrscheinlichkeiten hinzustellen berechtigt ist. Dies bekräftigt auch die ähnlich lautende polnische Sage von einem See in der krakauischen Diöces, welche Dlugoss aufbewahrt

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/418&oldid=- (Version vom 14.2.2021)