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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Raum, welcher sich zwischen dem sacellum und den Wänden des Tempels befand, möchte wohl nicht sehr breit gewesen sein, weil Saxo erzählt, dass die Bildsäule des Swatowit, als sie umgehauen worden, gegen die Wände gefallen sei. Wenn nun auch Saxo von der Grösse des Rugiaewit lib. XIV, ed. Steph. 327 sagt: Spissitudo illi supra humani corporis habitum erat, longitudo vero tanta, ut Absalon supra primam pedum partem consistens aegre mentum securicula, quam manu gestare consueverat, aequaret und vom Swatowit versichert: Ingens — simulacrum omnem humani corporis habitum granditate transcendens, so ist doch nicht wohl zu glauben, dass die Statue über 10—11 Fuss hoch gewesen sei und man kann wohl annehmen, dass der Raum von b zu c im obigen Grundrisse nicht grösser als 5—6 Fuss gewesen sein mag. Die inneren Seiten der Wände von b waren wahrscheinlich mit kostbaren Decken behangen, denn Saxo sagt: Praeterea frequens aedem purpura circumpendebat, und es ist nicht gut anzunehmen, dass dies im Allerheiligsten gewesen sei, da hier der Raum dazu mangelte, während es ganz passend scheint, die Wände des Tempels damit zu schmücken und zu verhängen. Dagegen ist es wahrscheinlich, dass an den Pfeilern, welche das sacellum von dem übrigen Tempel schieden, die der Gottheit geheiligten und ihr zugehörigen Sachen hingen, als: Sattel, Zaum und Schwerdt, wie im Tempel zu Arkona, oder der prächtige Schild, wie im Tempel zu Wolgast, denn Saxo berichtet vom Swatowit lib. XIV, ed. Steph. 319: Haud procul (vom Götterbilde nämlich) frenum ac sella simulacri compluraque divinitatis insignia visebantur. So war der innere Raum in den rügischen Tempeln ausgeschmückt, während der äussere (ambitus aedis exterior) mit Schnitzwerk bedeckt war. Von diesem sagt Saxo: exterior aedis ambitus accurato celamine renitebat, rudi ac impolito picturae artificio, varias rerum formas amplectens. Das caelamen, halb erhobene Schnitzarbeit, nennt er accuratum, während er von der Malerei sagt, sie sei roh und grob gewesen. Die Figuren also waren mit Farben bemalt, und dies scheint bei allen Haupttempeln der Fall gewesen zu sein, denn Thietmar und Sefried bezeugen dasselbe von den Tempeln des Zuarasici und Triglaw, obwohl Ersterer der Malerei nicht besonders gedenkt, während Letzterer die Lebendigkeit und Treue der abgebildeten Gegenstände[WS 1], so wie die Dauerhaftigkeit der Farben ausserordentlich rühmt. Man hat nun einen Unterschied darin hervorheben wollen, dass Thietmar sagt: mirifice insculptae und von imaginibus deorum dearumque spricht, welche an den Aussenwänden des Tempels zu Riedgost befindlich gewesen seien, während Saxo nur ganz allgemein von Schnitzwerk redet, und Sefried ausdrücklich Menschen, Vögel und Thiere als die abgebildeten Gegenstände erwähnt. Mir gilt hier wenigstens das Zeugniss Thietmar’s nicht so viel, als Saxo’s und Sefried’s, denn die beiden Letzteren sprechen als Augenzeugen, während Thietmar nur Gehörtes berichtet. Da sich nun Saxo nur ganz allgemein über die Gegenstände der Bildwerke ausspricht, so scheint es wohl erlaubt, anzunehmen, dass die Beschreibung des Sefried die richtige, allgemein gültige sei, und dass die variae deorum dearumque imagines des Thietmar nur aus einem Irrthume Desjenigen entstanden sind, der ihm über den Tempel des Zuarasici Bericht erstattete. Da ferner Saxo und Sefried darin übereinstimmen, dass das Schnitzwerk in halb erhobener Arbeit bestanden habe, so bin ich nicht geneigt, mit Giesebrecht wend. Gesch. I, pag. 69 so viel auf Thieimar’s Wort insculptae zu geben und eingeschnittene Abbildungen im Gegensatze mit dem hervortretenden Schnitzwerke zu Stettin und Arkon daraus zu machen, sondern glaube, dass die Arbeit überall in basreliefartigem Bilderwerke bestanden habe. Ist es aber nun auch wahrscheinlich, dass die äussere Ansicht der rügischen und festländischen Tempel eine gleiche oder wenigstens sehr ähnliche gewesen sei, so möchte in der Ausstattung des inneren Raumes ein desto wesentlicherer Unterschied stattgefunden haben. Erstlich ist nämlich bei keinem Geschichtschreiber, der von den Tempeln des Festlandes spricht, von einem besonders

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/412&oldid=- (Version vom 14.2.2021)