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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

erhaltene slawische Sage mit Bestimmtheit darauf hin, dass die Opferung von Menschen im Slawenthum älter ist, als sein Kampf mit christlichen Begriffen. Die Wenden an der Neisse und Spree glauben noch (Pannasch Reliquien der Feld-, Wasser- und Hausgötter der Wenden in Laus. Monatschr. 1797, Dec. pag. 740, 752), dass diese Flüsse jährlich ein Menschenleben in ihren Fluthen beendigt wissen wollen, und zwar wird öfter ausgesprochen am Johannistage, den 24. Juni; sie glauben ferner, dass der Wald gleichfalls ein Menschenopfer verlange, so dass noch das Sprichwort besteht: „holer dyrbi kojżde ljelo jeneho cżloweka mjecż,“ es muss jährlich ein Mensch im Walde sein Leben einbüssen. (Ibid. Lausitz. Monatschr. 1797, Dec. pag. 748). Die Sage endlich, welche Vuk (Vuk II, 3) mittheilt, zeugt dafür bei den Südslawen. Er erzählt nämlich: Als Scutari erbaut werden sollte, baueten 300 Meister 3 Jahre hindurch vergeblich, den Grund zu legen, denn was sie bei Tage vollendet hatten, das riss die Vila des Nachts wieder ein. Endlich verkündigte sie den Königen, der Bau werde nur dann zu Stande kommen, wenn zwei gleichnamige Geschwister in den Grund versenkt würden. Diese aber konnte man nirgend finden. Da forderte die Vila, dass von den drei Frauen der Könige die, welche am nächsten Tage den Meistern das Essen hinaustragen werde, in den Grund gemauert werden solle. Als nun die Gattin des jüngsten Königs, ohne von diesem Rathschlusse etwas zu ahnen, das Essen bringt, werfen die dreihundert Meister Steine um sie her und fangen an, sie einzumauern. Auch Popow und Le Clerc erzählen Aehnliches (Popow Myth. slav. pag. 25. Le Clerc de la Russie ancienne I, 205): Nachdem Slavensk, die von den Slawen früher erbaute Stadt, zerstört worden war, beschlossen sie, eine neue Hauptstadt zu gründen. Die Volksoberhäupter versammelten sich zur Berathung über die Art ihrer Grundlage und den Namen, welchen sie führen sollte. Einer der Aeltesten schlug der Versammlung vor, man solle mit Anbruch des Tages Boten nach verschiedenen Seiten aussenden und ihnen befehlen, genau auf das erste lebende Wesen Acht zu haben, welches sie fänden. Die Versammlung billigte diesen Beschluss, man opferte den Göttern und entsandte die Boten. Sie erfüllten ihren Auftrag bald, sie kamen mit einem Knaben zurück, und es ward beschlossen, dass dieser als Grundstein der neuen Stadt dienen sollte, welche Detinez genannt wurde. Hält nun die Volkssage mehr die alljährliche Wiederkehr des Opfers fest, so bewahrt das Volkslied mehr die besondere feierliche Ursache solches Opfers auf. Allein die Geschichtsschreiber sprechen noch öfter von dem Opfer eines Menschen, und aus ihren Erzählungen lernen wir, dass auch bei diesen Opfern das Haupt als der edelste Theil betrachtet und den Göttern besonders geweiht wurde, und dass auch Menschen auf dem Opferaltare geschlachtet wurden. Von beiden Einzelnheiten spricht eine Urkunde, welche zuerst Martene und Durand (Martene et Durand collectio amplissima I, 625 und Schöttgen und Kreissig diplom. Nachlese IV, 554) und dann aus diesen Schöttgen und Kreissig enthalten. Sie ist zwar, wie Lenz (Sam. Lenz Hist. v. Magdeburg pag. 95—96) wahrscheinlich gemacht hat, falsch, allein da alle übrigen Dinge, welche ihren Inhalt ausmachen, der Wahrheit gemäss sind, und von der Unächtheit der Fassung noch nicht unmittelbar abhängt, dass auch Alles, was in einem nachgemachten Aktenstücke erzählt wird, gleichfalls verworfen werden müsse, so stehe ich nicht an, diese Stelle hier beizubringen. Die Urkunde sagt: in nostram regionem saepissime efferuntur nullique parcentes rapiunt, caedunt, fundunt exquisitis tormentis affligunt, quosdam decollant, et capita daemoniis suis immolant — — Phanatici autem eorum, quotiens commessationibus vacare libet, feriis indictis capita, inquiunt, vult noster Pripegala. Huius fieri oportet sacrificia. — Tunc decollatis ante prophanationis suae aras Christianis, et horrendis vocibus ululantes, agamus inquiunt dies laetitiae, victus est Christus, vicit Pripegala victoriosissimus. Ueber den hier gemeinten Gott wird später zu sprechen sein, jetzt kann es nur darauf ankommen, die Art und Weise der

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/402&oldid=- (Version vom 14.2.2021)