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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Die Wörter hostia und victima beziehen sich blos auf blutige Opfer, während libamentum auch von Flüssigkeiten anderer Art, als vom Blute, gesagt wird, munus aber und donum werden blos bei unblutigen Opfern angewendet und zwar insbesondere noch in Bezug auf die gebotenen und ungebotenen Gaben, die dem Tempel unter dem Namen des Gottes zu bestimmten oder unbestimmten Zeiten dargebracht wurden, und von denen später die Rede sein wird. Hier wird nur von dem Opfer im strengeren Wortsinne geredet. Die Opfer waren entweder solche, die Privatpersonen brachten, oder öffentliche, welche der Priester im Namen der Gesammtheit vollzog. Im Russischen heisst solch ein Priester Жрецъ, ein Opfer Жертва und der Altar Жертвенникъ. Alle diese Wörter hängen mit Жру, fressen, zusammen und deuten auf den mit dem Opfer verbundenen Schmaus hin. Nun heisst aber das Loos Жребїи oder Жеребїи, ein Wort, welches offenbar mit Жрец und Жертва nah verwandt ist. Dies kommt wohl daher, dass die Opfer durch das Loos gewählt wurden. Man wollte durch den Ausspruch des Gottes, selbst erforschen, welches der Opfer ihm das angenehmste sei. Dies wird durch die Nachrichten lateinischer Quellen bestätigt. Ueberall findet sich bei Erzählung von Opfern, vorzüglich von Menschenopfern, der Ausdruck wieder: quem sors acceptaverat, so dass gesagt wird, wie die Gottheit selbst gleichsam das oder jenes gefordert habe. Damit stimmt eine zweite Reihe russischer Ausdrücke zusammen, welche sämmtlich mit dem Worte требаю, fordern, zu einer Familie gehören. Ein Opfer heisst nämlich auch треба, ein Opferaltar требникъ, ein Götzentempel Требище, welches letztere gleichfalls für Opferaltar gebraucht wird. Die Götter forderten also die Opfer und es war religiöse Pflicht, dieselben um ihren Willen zu befragen. Daher sagt auch Thietmar (Thietmar Chron. VI, 17. Perz V, 812, 7) ganz richtig: et quae placabilis hostia offerre diis a ministris debeat, per sortes et per equum diligenter inquirunt, und damit stimmt wiederum vollkommen, dass im Russischen der Hengst Жеребец genannt wird, ein Ausdruck, der an Жертва und Жребїи, Loos, erinnert. Ueber die verschiedenen Gegenstände, welche zum Opfer dargebracht wurden, haben wir in gleichzeitigen Quellen nur wenige Nachricht, indessen ist auch dies Wenige von Bedeutung. Von blutigen Opfern war das vornehmste, edelste der Mensch, und ein solches Opfer fiel nicht sehr häufig und nur bei den grossen Nationalfeierlichkeiten den Hauptgöttern. Thietmar (Thietmar Chron. VI, 17. Perz V, 812, 7) spricht ganz allgemein: Hominum ac sanguine pecudum ineffabilis horum (deorum) furor mitigatur. Helmold spricht wiederholt von Menschenopfern; so sagt er (Helmold Chron. I, 52. Leibniz II, 556): diis dicati erant flamines et sacrificiorum libamenta multiplexque religionis cultus: porro solennitatis dies dicatas sacerdos iuxta sortium nutum denunciat, conveniuntque viri et mulieres cum parvulis mactantque diis suis de bobus et ovibus; plerique etiam de hominibus christianis a quorum sanguine deos suos oblectari institant. Ferner eben dort von Swatowit: unde etiam in peculium honoris annuatim hominem christicolam, quem sors acceptaverit, eidem litare consueverunt; und weiter (Helmold Chron. II, 12. Leibniz II, 627): Inter varia autem libamenta sacerdos nonnunquam hominem christianum litare solebat. Man hat aus diesen Stellen folgern wollen, dass Menschenopfer nicht ursprünglich im slawischen Götterdienste gelegen hätten, sondern erst durch den Kampf, in welchen das Heidenthum mit der christlichen Lehre gerieth, eingeführt worden wären; allein mich dünkt, mit Unrecht. Denn abgesehen davon, dass Thietmar in der oben angeführten Stelle das Wort homines ohne allen Beisatz gebraucht, und dass ein späteres Chronikon, welches freilich den Helmold fast wörtlich abschreibt erzählt (Anonym. chron. slav. c. 18. Lindenbrag script. pag. 211): Hi duo (Priebizlaus et Niclotus) erant bestiae trunculentae christianis; idolorumque cultura reinvaluit ita, ut boves, oves atque homines daemonibus immolarentur, wo auch homines ganz allgemein hingestellt ist, so führt der noch theilweise lebendige Volksaberglauben und die uns

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/401&oldid=- (Version vom 14.2.2021)