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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

begangen wurden. Bei diesen Gelegenheiten nun thaten Privatpersonen, was bei den grossen Nationalfesten der Priester that, sie reichten der Gottheit den Becher, brachten ihr denselben dar, sprachen betend ihre Wünsche aus und leerten ihn dann zur Ehre des Gottes, welchem sie denselben consecrirt hatten. Dies nannte man sicherlich za slawe božhie trinken, und nur später ward der Ausdruck verweltlicht. Auch für die südlicheren Slawen, abgesehn von den Stellen serbischer Volkslieder, lässt sich die Sitte nachweisen. So für Böhmen durch eine Stelle aus dem Leben des heiligen Wenceslaus, welches der fast gleichzeitige Christianus a Scala schrieb. Hier heisst es (Christianus a Scala vita S. Ludmilae et S. Wenceslai L. I, cp. 10. Balbinus epit. rer. bohem. pag. 56): den Heiligen habe ein Freund vor den Mordanschlägen seines Bruders gewarnt, bei dem er zu Gaste ist. Eben hat Wenceslaus den Schmaus, eben den Tisch verlassen, der Freund räth zur schleunigen Flucht, allein statt dessen: rursum locum convivii petens, calice accepto poculum coram omnibus portans, alta profatur voce: in nomine beati archangeli Michaelis bibamus hunc calicem, orantes praecantes, quo animas nostras introducere dignetur in pacem exultationis perpetuae. Hier könnte man sogar die Formel solcher consecratio, wie sie ins christliche Leben herüber genommen ward, wieder erkennen wollen. Bei den Bulgaren fand der gleiche Gebrauch statt. Dies beweist die Stelle eines alten Schriftstellers, den Mabillon (Mabillon annal. Benedict, saecul. VI. praefat.) anführt: Quondam in terra Bulgarorum quidam nobilis potensque paganus bibere me suppliciter petivit, ut in illius dei amore, qui de vino sanguinem suum facit. Auch in Griechenland war die Sitte gangbar, wie Ducas (Niebuhr corp. Scriptt. Byzant: Ducas cp. 36, 29, pg. 254) bezeugt: ὁ χυδαῖος ὀυν καὶ ἁγοραῖος λάος ἐξελδόντες ἐκ τῆς αὐλῆς τοῦ μοναςήριου ἐν καπηλείας κρατῶντες ἐν χέρσι τὰς φίαλας πλήρεις άκρατον, ἀνεϑεμάτιξον τοὺς ἑνωτικούς, πίνοντες εἰς πρεσβείαν τῆς εἰκόνος τῆς ϑεομήτορος κ. τ. λ. Ja, bis nach Kleinasien, nach Paphlagonien hin finden wir diesen Gebrauch, wie das Leben des heiligen Georg bestätigt (Acta Sanct. Antw. April III, 140. Miracula d. Georg, martyr. cpt. III.), wo die wunderbare Befreiung eines paphlagonischen Christenjünglings aus bulgarischer Gefangenschaft durch die Wunderkraft des Heiligen erzählt wird. Betrübt sitzen Vater, Mutter und Verwandte des Jünglings am Festtage des heiligen Georg bei'm Mahle, welches an dem Tage ihres Schutzpatrons gebräuchlich war, und begehen die Feier, als wunderbar plötzlich der geliebte Sohn vor ihnen steht. Cum igitur bibissent in sancti Thaumaturgi honorem ad satietatem omnes ex vasculo mirabiliter inexhausto, überlassen sich die nun Beglückten ganz der ungetrübten Freude des Tages und dem Danke gegen den milden Heiligen.

 Wie sich der eine Theil des Gottesdienstes unmittelbar mit dem Gotte beschäftigte, so betraf der andere unmittelbar das Volk. Der Opferkuchen ward zwischen das Volk und den Priester gestellt, dieser fragte, ob man ihn sehen könnte, und wünschte, ward dies bejaht, dass es im künftigen Jahre nicht der Fall sein, d. h. dass die Erndte so reichlich ausfallen möchte, dass ein Kuchen, der ihn gänzlich verdecke, dargebracht werden könne. Nach diesem Wunsche bot der Priester dem Volke im Namen des Gottes Heil, ermahnte es dann, diesen fernerhin durch eifrige Feier des Opfers zu verehren, und versprach als unausbleiblichen Lohn solches Dienstes Sieg zu Land und zur See. Es ist nun gewiss merkwürdig, wie bestimmt und genau beide Theile des Ritus einander entsprachen. Der Theil desselben, welcher sich unmittelbar mit dem Gotte beschäftigt, beginnt mit der Weissagung, darauf folgt nach dem Tranke zur Ehre des Gottes das feierliche Gebet, und den Beschluss macht das dargebrachte Fruchtopfer. Der andere Theil, in welchem das versammelte Volk in den Vorgrund tritt, fängt mit dem Wunsche an, der hier mit der Weissagung parallel ist, diesem folgt die feierliche Ermahnung, welche dem Gebete gegenüber tritt,

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/398&oldid=- (Version vom 14.2.2021)