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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

admovebatur. Quam sacerdos sibi ac populo mediam interponens, an a Rugianis cerneretur, percontari solebat. Quibus illum a se videri respondentibus, ne post annum ab iisdem cerni posset, optabat. Quo praecationis more non suum aut populi fatum, sed futura messis incrementa poscebat. Consequenter sub simulacri nomine praesentem turbam consalutabat, eamque diutius ad huius numinis venerationem sedulo sacrificii ritu peragendam hortatus, certissimum cultus praemium terra marique victoriam promittebat. Hier überblickt man die ganze gottesdienstliche Feier auf einmal mit Klarheit. Sie begann mit einer Weissagung an das Volk über das Wohl oder Weh des kommenden Jahres, dann wurde dem Gotte ein Trankopfer dargebracht, und hierauf das Horn mit neuem Getränke gefüllt. Unter ehrfurchtsvollen Ceremonien wurde nun dem Götterbilde durch den Priester scheinbar davon zum Trinken gereicht, wobei dieser mit feierlichem Gebete — solennium verborum nuncupatione — für sich und das Vaterland alles Gute, für die Bewohner desselben Wachsthum der Reichthümer und der Macht erflehte, dann das Horn mit einem Zuge schnell austrank, es gleichsam dem Gotte zubrachte, und es endlich von neuem gefüllt dem Bilde wieder in die Hand gab. Mit Darbringung eines fast mannshohen, runden, mit Honig bereiteten Kuchens, als Opfer, schloss sodann der Theil der gottesdienstlichen Handlung, welche an den Gott unmittelbar gerichtet war.

 Ich habe die Worte: simulatoque propinandi officio statuam veneratus wörtlich gefasst, der Priester verehre den Gott dadurch, dass er ihm scheinbar behülflich sei zu trinken, allein es ist auch wohl möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass er sich blos gegen das Bild hingewendet, die Hand mit dem Horne nach diesem zu ausgestreckt, ihm den Trank symbolisch dargebracht, und sodann selbst das Horn schnell geleert habe. Daraus möchte denn die Sitte, zur Ehre der Gottheit zu trinken, die sich lange erhalten hat, zu erklären sein, welcher in einem serbischen Liede bei Wuk I, 94, gedacht wird, wo za slawe božhie Wein getrunken wird. Von demselben Gebrauche spricht Helmold, wenn er sagt (Helmold Chron. Lib. I, 52, Leibniz scriptt. rer. Brunsvicens. II, 582): Est autem Slavis mirabilis error, nam in conviviis et compotationibus suis pateram circumferunt, in quam conferunt, non dicam consecrationis sed exsecrationis verba, sub nomine deorum boni scilicet atque mali. Denn die consecratio ist eben nichts anderes, als die Weihung des Trankes zur Ehre der Gottheit. Man sieht, der spätere Gebrauch war ursprünglich gottesdienstliche Handlung, was ganz klar wird, wenn man Helmold’s weitere Erklärung hinzunimmt: omnem prosperam fortunam a bono deo, adversam a malo dirigi profitentes. Zum vollständigen Beweise aber gehört eine Stelle aus dem Sefried hieher, welche lautet (Sefried vita Ott. II, 4, 205, 106. Acta Sanctt. Ant. Juli I, 403): Erant autem in civitate Stetinensi continae quatuor sed — — una — — — ex his principalis erat. — — — — In hanc aedem ex prisca patrum consuetudine crateres etiam aureos vel argenteos, in quibus augurari, epulari et potare nobiles solebant ac potentes in diebus solennitatum quasi de sanctuario, proferendos ibi collocarunt, cornua etiam grandia taurorum agrestium deaurata et gemmis intexta potibus apta — — ibi conservabant. — — Tres vero aliae continae minus venerationis habebant, minusque ornatae fuerant. Sedilia tantum intus in circuitu exstructa erant et mensae; quia ibi conciliabula et conventus suos habere soliti erant. Nam sive potare, sive seria sua tractare vellent, in easdem aedes certis diebus veniebant et horis. Aus diesen Worten ist ersichtlich, dass die Becher zum Weissagen, Schmausen und Trinken im Haupttempel aufbewahrt und an Festtagen hervorgeholt wurden, dass es also selbst heilige Geräthschaften waren, deren man sich bediente, und dass die drei anderen, minder heiligen Tempel dazu benutzt wurden, an gewissen Tagen und zu bestimmten Stunden daselbst zu schmausen, zu trinken oder Rath zu halten. Jedenfalls also fanden die convivia und compotationes, deren Helmold oben erwähnt, an geheiligten Orten statt, so wie sie zu gewissen Tagen

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/397&oldid=- (Version vom 14.2.2021)