Seite:Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft 1 (1843).pdf/386

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

schon fast unterdrückten slowakischen und wendischen Gemeinden, dann in Zemplin, Ahaujvar die 21 reformirten slowakischen Gemeinden liefern Belege und Thatsachen, welche von Vielen nur darum bezweifelt werden, weil sie zu ärgerlich und in der Hungaria polyglotta einzig unnatürlich sind. Uebrigens was hat die eifrige Anschaffung von magyarischen Schulbüchern und Verbreitung derselben unter den slawischen Bauerkindern, so wie auch die Ueberwachung der Dorfschulprüfungen in manchen Gegenden von Seiten des Komitats oder von den der Magyarisirung wegen gebildeten Gesellschaften zu bedeuten? Weiter begegnet der Verf. dem Einwurfe, warum denn der slawische Adel in den Komitaten die Sache der slawischen Nation nicht besser vertrete, dadurch, dass er zeigt, die Slawen würden durch ihre eigenen, aber von ihrem Volke abgefallenen, sich der Mode anschmiegenden, von vorgefassten Meinungen geleiteten Stammgenossen übervortheilt und zurückgesetzt. Wenn Herr Lukacs aufrichtig sein wollte, so hätte er Herrn Stur diese Verhältnisse selber am deutlichsten darstellen können; denn nur darum verweigerte die magyarische Partei den Slowaken so lange Zeit die Erlaubniss zu einer eigenen in slowakischer Sprache herauszugebenden Zeitschrift, weil sie voraussieht, dass sobald man vermittelst dieser im Stande sein wird, dem slowakischen Adel die Sache ihrer Nation und die wirklichen Bedürfnisse der Heimath in ihrem wahren Lichte zu zeigen, sich die Reihen der magyarischen Renegaten sehr bald lichten werden, weil sie dann gar bald zu der Einsicht gelangen werden, dass sie von der Deklamatorik des Pesti Hirlap und der frechen Anmassung seiner Konsorten schmählich betrogen worden sind. Als rein slawische Komitate gibt Stur das Sohler, Liptauer, Thurotzer, Urvaer, Trencziner und mit geringer Ausnahme auch das Neutraer und Saroser Komitat an. Ueber die Anzahl der Magyaren und Slawen will Stur nicht länger mit Lukacs rechten; nur könne er nicht für gut erkennen[WS 1], dass man mit Lukacs alle diejenigen zu Magyaren rechne, 1) die sich selbst als solche anerkennen, 2) die magyarische Sprache rein und fehlerfrei sprechen und 3) sich ihrer im häuslichen und anderem Verkehr bedienen. Auf die Frage seines Gegners, in welchen Komitaten sich der niedere Adel für den Gebrauch seiner Muttersprache in öffentlichen Verhandlungen kräftig ausgesprochen hätte, antwortet Stur: im Neutraer, Liptauer, Thurotzer u. Trencziner. Bei der Städteangelegenheit sieht Stur mit Recht den Hauptgrund, warum man den Städten nur eine geringe Anzahl Stimmen geben wolle, darin, weil man ihre deutschen und slawischen Elemente fürchte. Ueber die in einer früheren Nummer gegebenen Darstellung der magyarischen Literatur spricht sich der Verf. dahin aus, es seien dort die unbedeutendsten Schriftchen derselben mit aufgezählt; übrigens hätten die meisten von den dort angeführten „äusserst wenig zum Kapital der Intelligenz bei’m Magyarenvolk beigesteuert, und Niemand vermöge zu leugnen, dass erst von da von einer magyarischen Literatur die Rede sein könne, seitdem die magyarische Sprache zur gesetzlichen erhoben worden.“ Seine Anklage gegen Pesth als Sitz der evangelischen Kirchenkonvente begründet Stur dadurch, weil daselbst eine Menge von Advokaten und Juraten sich aufhalten, welche alle, selbst die zufälliger Weise hinkommenden sogenannten Honoratioren Sitz und Stimme dabei haben und durch ihr wildes Gebrüll jedes Durchdringen der slawischen Superintendenten unmöglich machen. Nr. 233. Statistische Uebersicht über Finnlands nationelle Industrie und Kulturverhältnisse.




VII.
Miscellen.

 Graf Szechenyi in seiner Rede über die ungarische Akademie schildert die Thätigkeit des Ultramagyaren mit folgenden Zügen: „Und nun frage ich, und frage es von den Haupthitzigen unseres Vaterlandes: blieben sie denn bei dem, was das Gesetz befiehlt, nämlich, dass an die Stelle der lateinischen Sprache die ungarische trete; und irrten sie denn nicht manchmal über diese Gränzen hinaus? In die Mitte älterer Anstalten und Vereine, wo die Sprache nicht die ungarische war, weil auch ihre Stifter nicht Sprachkundige waren, drang sich denn nicht das Ungarthum hie und da von heute bis morgen mit Gewalt ein? Wurde nicht in mancher Versammlung, in mancher Unterhaltung — ach Gott, ist das nicht Unterhaltung der Kinder? — wurde nicht der ungarischen zu lieb — zwar nur zum Versuch — jede andere Sprache als Epidemie verbannt? Wie viele Reden sind denn nicht, theils aus Grundsatz, theils auf Befehl, an solche Zuhörer gerichtet worden, deren zehnter Theil das nicht als Seelennahrung zu sich nehmen konnte[WS 2]? Hatte sich denn die ungarische Sprache nicht auch in das Kleinste, welches sie wegen Mangel an Zeit nicht von heute bis morgen ungarisch umgestalten

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Druckfehler. erkernen in der Vorlage.
  2. Druckfehler. honnte in der Vorlage.
Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/386&oldid=- (Version vom 14.2.2021)