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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Hirlap“ auf, und allgemein war das Zutrauen des lesenden Publikums unter uns zu Ihrem Blatte, denn Sie erklärten sich über die schon erwähnte Angelegenheit gemässigt, wie nicht anders von einem Manne zu erwarten war, der, von Vorurtheilen nicht befangen, alle Verhältnisse in ihrem wahren Lichte sah. Allein nur zu bald, bei einer an sich unbedeutenden Veranlassung, änderten Sie und Ihre Mitarbeiter den Ton; gleich dem „Jelenkor,“ traten Sie mit Verdächtigungen der Slawen auf, fanden neue grosse Anklagen gegen dieselben und setzten ihnen mit den schärfsten Waffen zu, indem Sie jede Leidenschaft gegen sie aufregten. Und es ist Ihnen leider gelungen, ein Feuer anzufachen, welches lodert, um sich greift und unauslöschlich, wie es scheint, in den Eingeweiden des Vaterlandes zehrt. Der Bruder steht kampfgerüstet gegen den Bruder, der Sohn gegen den Vater, die Einen hassen und verdächtigen die Anderen, aus dem einzigen Grunde, weil der Eine ein „Magyare“ zu heissen, der Andere ein „Ungar“ zu bleiben vorzieht, obwohl beide sich gut bewusst sind, dass sie das Wohl des theuern Landes ihrer Väter am Herzen tragen.“ Und S. 9 heisst es: „Indem ich aber an Sie diese Zeilen richte, so mache ich Sie zugleich für alles das verantwortlich, was Ihre Mitarbeiter, besonders in den leitenden Artikeln, ausgesagt haben. Dazu kommt auch, dass Sie es ja sind, der ein so verderbliches, die Gemüther verzehrendes, die Besten in zwei Lager theilendes Feuer des Hasses und der Zwietracht angeschürt hat; geben Sie nun davon sich selbst und Anderen Rechenschaft; und finden Sie sich schuldig, so trachten Sie, das Feuer zu dämpfen, wo möglich zu löschen. Oder sollten Sie gleich jenem Knaben des Erlkönigs sein, der die verheerenden Geister wohl loszulassen, aber nicht zum Gehorsam zurückzuführen verstand?“ — Im zweiten Briefe gibt der Verf. als Hauptursache des Zwiespaltes der Meinungen die „unendliche Verwirrung der Begriffe“ an; besonders sind es die Schlagwörter: Volk, Volksthümlichkeit, Sprache, Nation, Nationalität, Vaterland, welche man missversteht. Der Verf. definirt dieselben und rechnet zu Volk und Volksthümlichkeit, was einerlei Sprache vereint, zu Nation und Nationalität dagegen die Gefühle für das Wohl und Wehe des Einen Vaterlandes, in welchem mehrere Völker und mehrere Sprachen, aber nur eine Nation sein könne. Uns dünkt eine solche Abtheilung nicht zweckmässig, weil sie nur ein Palliativmittel gegen die Zustände Ungarns ist, welches überdies gar leicht die Begriffe von dem wahren Bedürfnisse und von dem Rechte der nicht magyarischen Nationen einer endlichen reineren Auffassung noch lange entziehen dürfte. Im dritten Briefe bespricht der Verf. einen Hauptartikel des „Pesti Hirlap Nr. 163, 164 und 168“ und thut gegen denselben dar, dass auch die anderen Völker Ungarns ein Vaterland, eine gemeinschaftliche Verfassung, gemeinschaftliche Vaterlandsliebe, gemeinschaftliche Interessen, ja, was jener Gegner streng verneint, auch das „gemeinschaftliche Bedürfniss des Fortschrittes und der Entwickelung“ und „gemeinschaftliche Erinnerungen einer zusammen verlebten grossen Vergangenheit“ haben. Die historische[WS 1] Deduktion, in welcher der Verf. die Verdienste der Slawen um Ungarn darstellt, ist schlagend und enthält manche bittere Wahrheit. Dann geht der Verf. zur Untersuchung der Fragen über: Was wollen wir? Was wollet ihr? Durch welche Mittel gedenken wir den heilsamen Zweck zu erreichen? Wodurch wollet ihr eure erstreben? Warum wollen wir das? Welche höheren Zwecke berechtigen euch zur Verfolgung eurer Zwecke und zum Gebrauche der durch euch empfohlenen Mittel? Die Slawen wollen die magyarische[WS 2] Sprache zur diplomatischen erhoben wissen, „mehr aber befehlen ist Tyrannei.“ Die Magyaren wollen „alle Sprachen und damit auch alle Volksthümlichkeiten im Lande vernichten und so nach und nach alle Völker Ungarns in Ein Volk, das magyarische, verwandeln.“ Die Zugeständnisse, welche der Verf. den Magyaren in der Folge macht, indem er das Magyarische nur aus der Schule und Kirche verbannt wissen will, sind grösser, als man fordern kann, ja als es für das Wohl Ungarns zweckdienlich ist. Die

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Druckfehler. hisorische in der Vorlage.
  2. Druckfehler. magyarisehe in der Vorlage.
Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/371&oldid=- (Version vom 14.2.2021)