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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

zeigt in allen slawischen Mundarten die Sylbe wit вичъ das Herstammungsverhältniss an, z. B. Царъ, König, Царевичь Königssohn, und so könnte vielleicht dies wit in den Götternamen anzeigen, dass diejenigen, bei welchen es sich findet, eben solchen Gottheiten angehören mögen, die propinquiores deo deorum und also auch die praestantiores unter denen waren, welche zugetheilte Pflichten ausübten und aus dem Blute des Obergottes entsprossen waren. Entsprungen, hervorgegangen sind sie ja alle nach Helmold aus dem Blute des deus deorum, nur der Abstand war verschieden, und dieser würde dann durch wit bezeichnet werden. Man sage nicht, dass bei den Wörtern, welche in witsch endigen, stets der Vatersname oder Stand wiederholt werden müsse; wir finden dies nicht immer, z. B. in der polnischen Heldensage ist Ziemowit der Sohn Piasts und sein Name endet doch so, wobei nicht zu übersehen sein dürfte, dass gerade auf diesem Ziemo-wit die polnische Sage die bedeutendsten Lichter sammelt. Er ist es, der das Volk vom Verderben rettet, und von dem eine ganze Reihe völkerbeglückender Fürsten abstammt, die, wiederum merkwürdig genug, nicht von ihm, sondern von seinen Vätern Piasten genannt werden. Es wäre nicht unmöglich, dass in Ziemowit eine polnische Heldensage und Reste einer Göttergestalt zusammengeflossen wären, deren letzter Schimmer sich in der Namensendung zeigte. Es wird sich später eine Gelegenheit darbieten, diese merkwürdige Figur der polnischen Sage weitläuftiger zu behandeln und auf die Quellen zurückzugehen, welchen sie zu entnehmen ist, jetzt hat sie nur ein Interesse durch die Endung ihres Namens. Eine gleiche Andeutung des Abstammens mag wohl auch durch die Namenszusammensetzung mit bog vorgestellt werden, obschon nicht zu verkennen scheint, dass die Wirkungskreise dieser Götter bei Weitem nicht so gross und weitgreifend erscheinen, als deren, welche mit wit gebildet sind, denn ausser Černoboh, von welchem später besonders die Rede sein wird, sind alle die Gottheiten, in deren Namen das Wort bog vorkommt, entweder sehr abstrakter Natur, wie Dażboh, oder sehr beschränkter, wie Striboh, so dass der Begriff boh in ihnen weit abgeschwächter, verallgemeinerter und verschwommener erscheint, als in jenen, die eine bei Weitem festere, schärfer gezeichnete und individuellere Gestaltung an den Tag legen. Doch das liegt vielleicht an dem Mangel von Quellen, die mir zu Gebote stehen, und die Täuschung verschwindet, sobald man nicht mehr, wie jetzt, fast ganz allein auf etymologische Namenserklärungen beschränkt sein wird. In serbischen Volksliedern kommt bog merkwürdig vor, obwohl diese Quelle für die slawische Mythologie sehr vorsichtig gebraucht werden muss, da es manchmal unmöglich, gewöhnlich aber sehr schwierig wird, das Alte und Aechte von den späteren Zuthaten zu sondern, oder aus den Umbildungen, welche die Lieder im Laufe der Jahrhunderte und durch Einwirkung des christlichen Elements namentlich erlitten, auszusondern. Manches indessen ist so ins Auge springend, dass man es unbedenklich als zu dem passend, was uns gleichzeitige Quellen überliefern, rechnen und deshalb benutzen kann. Dies ist unter andern der Fall mit einem Liede (Vuk Steph. I., 134.), worin vorkommt, Bog habe als Kind die Sonne, deren Bruder der Mond und deren Schwester der Abendstern sei. Letzterer wird deshalb Schwester genannt, weil zveżda (Stern) foemininum ist. Unstreitig ist hier dies Gedenken der Verwandtschaft uralt und aus dem Heidenthume herüber genommen, und daraus lässt sich auf die Verehrung der Gestirne in alter Zeit als Gottheiten gewiss nicht mit Unrecht zurückschliessen. Weit weniger brauchbar scheinen die Stellen serbischer Volkslieder zu sein, in welchen der höchste Gott als Donner- oder Wettergott angerufen wird, in Talvj’s Volksliedern der Serben, Halle 1835. 2. Aufl. I, 46, II, 127, 131, 139. Der Begriff „höchster Gott“ erinnert zwar allerdings an den deus deorum, allein da er seiner Natur nach viel leichter abstrakt und deshalb dem Einflusse christlicher Gedanken weit zugänglicher ist, als die Anschauung, Bog sei Vater der Sonne, so möchte ich nicht so unbedingt hierin den

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/354&oldid=- (Version vom 6.4.2020)