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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Chronik. Es bleibt nur noch übrig, der vita Sancti Ottonis Pomeranorum apostoli zu gedenken. Davon gibt es drei Recensionen, nämlich die von einem Mönche, aus des gleichzeitigen Sefrid, der den Bischof auf seinen Reisen begleitet hatte, grösserem Werke, das ursprünglich in dialogischer Form geschrieben war, gemachte Umschmelzung; die Bearbeitung des Lebens von Ebbo, welche dieser nach den Berichten des Priesters Ulrich, gleichfalls eines Reisegefährten Otto’s, niederschrieb, und die vita, welche Andreas, Abt des Klosters St. Michael, aus diesen beiden Vorgängern und anderen Nachrichten gegen das Ende des 15. Jahrhunderts zusammenstellte. Auf gleiche Weise ist rücksichtlich der religiösen so wie der übrigen slawischen Alterthümer die im Beginn des 17. Jahrhunderts geschriebene Historia episcopatus camimensis, vornehmlich auf Sefried, Ebbo, Andreas und Albert Kranz gestützt, obschon ihr Verfasser Wuja (Peter von Winther) eigenthümliche, aber sehr zu prüfende Angaben einstreut. Solche Prüfung der einzelnen späteren Berichte wird am besten bei den einzelnen hier zu besprechenden Punkten selbst gegeben werden können, wo dann diese und die übrigen hier nicht besonders genannten Quellen zweiten und dritten Ranges aufgeführt werden müssen. Für jetzt schliesse ich daher diese vorläufigen Bemerkungen und füge nur noch hinzu, dass die grösste Masse der geschichtlichen Quellen für das Mittelalter bis jetzt leider in einer Gestalt vor uns liegt, die fast jeder Kritik entbehrt, und dass es daher sehr häufig unmöglich wird, sogar in den wichtigsten Beziehungen, einen ganz sicheren Anhaltpunkt zu gewinnen.

I.
Gott.

 Procopius de bell. goth. cpt. 40 (Stritter monumenta II., 28. Slavica. Sect. II., §. 17.) gibt uns eine merkwürdige Darstellung des slawischen Glaubens. Er sagt nämlich: unum enim deum fulguris effectorem dominum huius universitatis solum agnoscunt, eique boves et cujusque generis hostias immolant. Fatum minime norunt, nedum illi in mortales aliquam vim attribuunt; at cum sibi vel morbo correptis vel praelium ineuntibus iam mortem admotam vident; deo vovent, si evaserint, continuo victimam pro salvo capito mactaturos: elapsi periculo, quod promisere, sacrificant, eaque hostia vitam sibi redemptam credunt. Praeterea fluvios colunt, nymphas, et alia quaedam numina, quibus omnibus operantur, et inter sacrificia conjecturas faciunt divinationum. Hierzu muss, der Wichtigkeit wegen, sogleich eine Stelle aus Helmold chronicon Slavor. Lib. I. cpt. 24. (Leibnizt scrptt. rer. Brunswic. II., 606.) beigebracht werden; sie lautet: Inter multiformia vero deorum numina, quibus arva, silvas, tristitias et voluptates attribuunt, non diffitentur unum deum in coelis caeteris imperitantem. Illum praepotentem coelestia tantum curare. Hos vero, distributis officiis obsequentes, de sanguine eius processisse, unumquemque praestantiorem, quo proximiorem illi deo deorum.

 Betrachtet man nun die Stelle des Procop näher, so zerfällt sie ganz natürlich in drei Abschnitte, deren erster von unum enim — immolant geht, deren zweiter die Worte Fatum — redemptam credunt umfasst, und deren dritter von Praeterea — faciunt divinationum reicht. Es ist offenbar, dass die Ausdrücke, deren sich Procop im ersten Theile seiner Nachricht bedient, im Ganzen gerade dasselbe sagen, was Helmold mit den Worten: non diffitentur unum deum in coelis caeteris imperitantem berichtet, und man darf sich wohl nicht durch das „fulguris effectorem“ und die Opfer, deren Erwähnung geschieht, irren lassen. Hier ist dem Griechen begegnet, was so häufig vorkommt, wenn man Berichte liefert von Dingen und Menschen, denen man fern steht, die man nur aus Schilderungen Anderer und Erkundigungen darstellt. Er hat Gehörtes vermengt und was dem

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/351&oldid=- (Version vom 15.6.2023)