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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

nie hat es noch eine konstitutionelle Landesversammlung gegeben, welche so ungescheut, mit solcher fanatischen Wuth vor den Augen der Oeffentlichkeit die Rechte der Nationen mit Füssen getreten hätte, die bis diesen Augenblick für unveräusserlich und heilig geltend, nur von roher Waffengewalt ungeachtet blieben. — Hören wir indess vor Allem den ständischen Entwurf (nach der Augsb. Allgem. Zeit. v. 26. Okt., Beil.):

 §. 1. Dem durch die Gesetzartikel 5 von 1550 und 33 von 1569 ausgesprochenen allgemeinen Nationalwunsch zufolge sind die Thronerben verpflichtet, sich die ungarische Sprache eigen zu machen. Ausserdem wird auch das gnädige königl. Versprechen Sr. Majestät, dass der Unterricht in der ungarischen Sprache auch auf die anderen Erzherzoge und Erzherzoginnen des regierenden Hauses ausgedehnt werde, in das Gesetzbuch eingetragen.

 §. 2. In Ungarn und den dazu gehörigen Theilen wird alleinige und ausschliessliche, sowohl Regierungs- als Amtssprache die ungarische sein. Alle in einer anderen Sprache verfassten amtlichen Schriften und Dokumente sind ungültig, und es soll nur in jenen Fällen erlaubt sein, sich einer anderen Sprache zu bedienen, in Betreff welcher die §. 5. 6. 7. dieses Gesetzes eine Ausnahme machen oder besondere Verfügungen treffen.

 §. 3. Die Sprache des öffentlichen Unterrichtes ist auch die ungarische; in Bezug auf die Elementarschulen wird hierüber ein besonderer Gesetzartikel verfügen.

 §. 4. Alle ungarischen Münzen sollen mit ungarischen Zeichen und Umschriften geprägt werden; bei allen Civil-, Militär- und Kameral-Instituten, in den ungarischen Häfen, auf den ungarischen Handels- und anderen Schiffen sollen nur die Farben und Wappen des Landes gebraucht werden; alle Amtssiegel sollen ungarische Umschriften haben.

 §. 5. Alle Behörden, Gerichte und Beamten Kroatiens sollen mit den ungarischen Regierungs-, Gerichts- und Munizipalbehörden und deren Beamten in ungarischer Sprache korrespondiren.

 §. 6. Die ungarische Sprache soll in den öffentlichen Schulen Kroatiens gelehrt werden.

 §. 7. Nach zehn Jahren, von der Publikation gegenwärtigen Gesetzes an gerechnet, soll in Kroatien Niemand ein von königlicher Ernennung abhängiges, noch auch ein kirchliches Amt erhalten können, der nicht der ungarischen Sprache kundig ist.

 Wir sind nicht gemeint, die vorstehenden Paragraphen nach ihrer Rechtlichkeit[WS 1] vom staatsrechtlichen Standpunkte aus zu untersuchen. Nur eines bemerken wir hier, dass, wenn dieselben auch von den beiden nationalen, gesetzgebenden Gewalten genehmigt sind, sie keineswegs noch als Gesetz gelten, da wir zu der Weisheit und Umsicht der Regierung, des sanktionirenden Theiles, das unbedingte Vertrauen haben, sie werde ein Gesetz nicht bestätigen, dessen nächste Wirkung eine durch wenigstens ein bis zwei Jahrhunderte ununterbrochen fortwährende Reihe von Gewaltthätigkeiten, Hintergehungen und — wir sagen es gerade zu heraus — inneren Unruhen sein müsste. Auch können wir zweitens keineswegs zugeben, dass jener Gesetzentwurf der Ausfluss des Willens der ungarischen Nationen ist. Jedermann weiss, wie ausserordentlich gering die Anzahl der Deputirten ist, welche das slawische, wie viel geringer noch die derer, welche das deutsche Interesse vertreten. Man erwidere mir nicht, dann seien die Deutschen und die Slawen selbst Schuld daran, dass sie unterliegen. Denn der Grund dieser Niederlage liegt ja eben in der Zusammensetzung des Reichstages. Die von Slawen bewohnten Komitate sind nicht selten von magyarisch gesinnten Deputirten vertreten; woher diese Erscheinung? Weil das magyarische Gold und der anderweitige nicht selten auf einem wenig rühmlichen Grunde beruhende Einfluss den Bauernadel zur Wahl solcher Deputirten gewaltsam

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Druckfehler. Rechtlichlichkeit in der Vorlage.
Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/337&oldid=- (Version vom 20.3.2020)