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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Umgebung ausgesetzt ist. Ist es unter solchen Umständen ein Wunder, dass es bei uns Lehrer gibt, die nicht im Stande sind, ein Substantiv der Sprache zu dekliniren, welche der Gesammtheit seiner Schüler Muttersprache ist! Ich meinestheils kenne den grössten Theil der Lehrer in unserem Lande; aber mir ist nur ein Einziger bekannt, welcher die windische Sprache studierte, und auch bemüht war, in seiner Schule eine vernünftigere Methode einzuführen. Allein gegenwärtig hat sich selbst dieser wegen der vielen Verdriesslichkeiten, die man ihm anthat, zurückgezogen. — Wie steht es bei solchen Umständen mit der Geistlichkeit? Wir sagen kühn: bedeutend besser! Die jungen Theologen sind nämlich verpflichtet, den windischen Lehrkurs durchzumachen, und wenn sie schon dadurch zu besserer Kenntniss und grösserer Geläufigkeit im windischen Ausdruck geführt werden, so wirkt auch noch ihr Beruf und mancherlei andere Umstände wohlthätig auf ihre volksthümliche Thätigkeit. Es gibt in der Beziehung mehrere recht achtungswerthe Männer, die sich die Sache der Nation recht angelegen sein lassen; besonders war es eine gewisse Epoche, in der fast lauter begeisterte Slowenen aus dem Priesterhause traten, die bis jetzt freudenvoll ihrer Muttersprache pflegen. Freilich sind diese Herren grösstentheils noch ziemlich jung, und nehmen daher nur untergeordnete Stellen ein. Und bei allem dem sind sie immer noch nicht allzu zahlreich. Und wie kann es anders sein? Bei weitem die meisten Theologen werden durch den Unterricht ihrer Nation entfremdet. Denn wenn sie auch die ersten zehn Lebensjahre im Windischen verleben, so bringen sie doch die hierauf folgenden zwölf wichtigsten unter Deutschen, bei rein deutschem Unterrichte zu, wo nicht selten selbst öffentlich mit Verachtung auf ihre Herkunft hingewiesen wird, so dass sie nicht selten anfangen, sich ihrer eigenen Nation zu schämen. Das Unglück wird noch grösser, wenn der Seelsorger einer rein windischen Gemeinde auch von Geburt deutsch ist. So kennen wir einen solchen, der gezwungen ist, jede Predigt mit Hülfe des Wörterbuchs und der Grammatik zusammenzustoppeln. Wie leicht entschuldigen sich dann solche Geistlichen mit dem Grundsatz: „Die Kinder sollen deutsch unterrichtet werden, denn die windische Sprache ist zu nichts.“— Wir sehen wahrhaftig nicht ein, warum man einen solchen Unglücklichen mit einer solchen Gemeinde, und eine solche Gemeinde mit einem solchen Seelsorger martert. Denn allgemein macht man ja die Bemerkung, dass sich besonders aus den steirischen Winden alljährlich eine Menge Jünglinge zu dem geistlichen Stande wenden, weshalb ein Mangel an windischen Seelsorgern gewiss nicht stattfindet; auch sind sogar an vielen deutschen Stellen Slowenen angestellt.

 Diese Vorliebe für den geistlichen Stand, so wichtig und fruchtbringend für die Nation sie ist, bringt doch auch ein Uebel hervor: den Mangel an windischen Beamten und Männern in den anderen Ständen.

 Ziehen wir nun die Resultate aus dem Ganzen, so werden wir finden, dass unsere Landschulen um nichts besser sind, als jene im preussischcn Polen; dass man bei uns zwar kein solches Geschrei mit der Germanisirung macht, wie dort, dass man aber desto mehr im Stillen wirkt und wirken lässt. Und man muss gestehen, diese Methode ist mit viel weniger Hemmnissen verbunden, als die in den preussischen Ländern angewandte. Trotz dem aber hat doch die ganze Zeit, in welcher dieselbe nun schon angewendet wird, das Volk höchstens einige Kleinigkeiten des Deutschthums angenommen, einige verstümmelte Wörter und Redensarten und hie und da die deutsch-französische Hose. Auf diese Weise hat man also bisher nichts gewonnen, als dass die Nation Nichts gelernt hat, und noch jetzt auf derselben Stufe steht, auf welcher sie vor jener Zeit stand — wahrhaftig ein trauriges Ergebniss so mannichfaltiger Mühen und so bedeutender Opfer.

Jozipić.
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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/317&oldid=- (Version vom 27.2.2020)