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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Schüler a priori verloren) wohl nicht hinreichend zur Erlernung einer beinahe regellosen Sprache, wie die deutsche ist, zumal die angewandte Sprachlehre dem Geiste der Lernenden nicht angepasst ist, und überdies das Kind gar keine Gelegenheit hat, sich in derselben zu üben. Andererseits kann aber der aus einer solchen Schule Entlassene auch kein windisch geschriebenes Buch lesen, wenn er sich nicht durch Privatfleiss dazu befähigt hat. Und ist das nicht traurig, wenn das Schulkind besser wissen soll, was ihm frommt, als der Staat?

 Auf diese Weise muss die slowenische Nation mit jedem Tage zurückschreiten. Die Bildung muss volksthümlich von Innen hervorgehen, wenn sie gedeihen soll; die von Aussen eingepfropfte fremdartige kann nur zusammengeschrumpfte, elende Früchte tragen. — Oder glaubt man denn wirklich, die deutsche Sprache sei die alleinseligmachende, wie der gewesene Herr Oberpräsident?

 Ich habe sehr häufig sagen hören: die Nation solle sich selbst helfen, allein sie sei zu faul, zu geistlos. Auf solche Vorwürfe soll man eigentlich gar keine Antwort geben. Wo ist das Volk, das seine Schulen ohne Mitwirkung oder gar gegen den Willen der Regierung in die Höhe brachte? Selbst tüchtige Schulbücher fehlen uns; aber warum will der Staat nicht auch hier, wie für die deutschen Schulen, Prämien auf die besten und gelungensten ausschreiben? — trägt der steirische Slowene weniger Steuern, als der deutsche? — Aber es gibt doch auch bei uns wenigstens einige, vernünftiger eingerichtete Bücher; so die 1838 gedruckte, mit dem Schulbuchstempel versehene deutsche Sprachlehre (in slowenischer Sprache); eben so die werthvolle Grammatik von Vodnik, deren Gegenstand die slowenische Sprache ist. Aber sie sind nicht als Schulbücher eingeführt.

 Hiermit ist aber auch schon der Grund dieser schlechten Lage unserer Volksschulen angedeutet. Der Staat thut wohl etwas, aber so, dass wie oben gezeigt wurde, wenig Früchte daraus blühen können; eben so wenig oder eigentlich viel weniger noch thun die Stände, die ganz deutsch, mithin für unser Wohl sorglos sind. Wie elend steht es bei uns mit der Besetzung der Lehrerstellen! Man fordert von dem zum Lehrer zu Wählenden nur die Kenntniss der deutschen Sprache, das Windische berücksichtigt man nicht weiter, als dass ein solcher im windischen Gebiete geboren sein muss; so geschieht es denn nur zu häufig, dass Leute den ersten Unterricht ertheilen sollen, die zwar vielleicht ihre ersten sieben bis neun Lebensjahre im Windischen zubrachten, dann aber zehn oder mehrere im Deutschen verlebten und deutschen Unterricht genossen, ohne sich um die windische Sprache zu kümmern. Wie können sie eine solche Sprachkenntniss besitzen, als erforderlich ist? Lehrstühle der windischen Sprache gibt es im ganzen Lande keine, ausser in Grätz, für deren Errichtung wir den Ständen übrigens den heissesten Dank sagen. Aber von den angehenden Lehrern fordert man keinen Beweis, dass sie diesen Kursus durchgemacht, noch überhaupt, dass sie des Windischen genug mächtig sind. Die juridischen Professoren in Gratz müssen sich mit einem Zeugniss über die Kenntniss der italienischen Sprache ausweisen; allein bei den Slowenen wird nicht gefordert, dass sie ihre Sprache verstehen, obgleich sie rund um das Schulhaus ertönt! Der Elementarunterricht ist gewiss fur’s Volk wichtiger und folgenreicher, als die juridischen Studien. Was Wunder, dass uns ein sehr schätzenswerther Professor eines hiesigen Gymnasiums klagte, er bemerke unter den Slowenen tüchtige Talente, aber sie seien lau, für jedes edlere Wissen träge. Der verkehrte Elementarunterricht trägt die Schuld davon. — Freilich würde auch mit der Forderung eines solchen Zeugnisses nicht viel gewonnen sein; denn der gegenwärtige „Professor der windischen Sprache“ hat bei dem Ertheilen der Zeugnisse den Grundsatz, dass jeder im Windischen Geborne schon Windisch könne, daher es nicht nothwendig habe, den Kurs zu besuchen, und trotz dem ein Zeugniss bekommen dürfe. Auch ist seine Lehrweise, sein verzweifeltes Phlegma keineswegs geeignet, Jemandem Liebe zu einer Sprache einzuflössen, die so oft dem Spotte und dem Leumunde der nächsten

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/316&oldid=- (Version vom 26.2.2020)