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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

wer hätte erwarten können, dass sich dieser Zweig der polnischen Literatur in Charkow am besten bearbeiten lasse. Wir wissen, dass in Petersburg eine Menge Werke aus den polnischen Bibliotheken liegen, dort findet sich natürlich auch eine unermessliche Anzahl von Handschriften für unsere Geschichte; aus ihnen sollte man gar manches Alte, Hochwichtige heraussuchen.

 In Berlin und in verschiedenen preussischen Städten kann man die Verhältnisse des (alten) Königreichs Preussen, der preussischen Städte, die Kriege der Kreuzritter und, wie z. B. in Königsberg, sogar die Geschichte Litthauens mit grossem Vortheil und mit vieler Gründlichkeit, weil mit seltenen Dokumenten in der Hand, historisch bearbeiten. In Paris gibt es ungeheure Materialien für die polnische Geschichte vom siebzehnten Jahrhundert an, und zwar eben so gut im Archiv der auswärtigen Angelegenheiten, wie in Bibliotheken. Mit einem Worte, überall finden wir wenigstens etwas Fertiges für die Geschichte Polens. Und wie vielmehr müssten sich erst die mit unserer Vergangenheit weniger zusammenhängenden Gegenstände mit entschiedenem Erfolge für den Fortschritt und die Entwickelung der Nation bearbeiten lassen.




II.
Wissenschaften.
1. Die slowenischen Volksschulen in Untersteiermark.

 Dem Beobachter der untersteierischen slowenischen und windischen Volksschulen stösst unwillkührlich der Grundsatz des ehrenwerthen Herrn preussischen Oberpräsidenten Flottwell auf, der im warmen Eifer für die „Beförderung und Befestigung“ der engsten Verbindung der polnischen Provinzen mit dem preussischen Staate meint: „Das Gesammtwohl des Staates macht die Verfolgung dieses Zieles (nämlich der völligen Germanisirung der preussischen Polen) zur Nothwendigkeit; und wenn dabei Erinnerungen und Gefühle eines Theils der polnischen Einwohner verletzt werden, so liegt die Beruhigung hierüber in der Ueberzeugung, dass die Geschichte allmählig alle Völker aus den Schranken früherer und noch bestehender Trennungen solchen Anwandlungen und neuen Gestaltungen entgegenführt.“

 Ich habe so oft schon über die Thorheit der Ungarn reden und schelten hören, welche die lateinische Sprache in der nämlichen Sprache vortragen. Allein wenn ich dann an unsere eigenen Zustände denke, so fällt mir augenblicklich der Vergleich des Evangeliums von dem Splitter im fremden Auge ein. In Ungarn wurde erst von dem 2. Jahrgange des Gymnasiums an Alles lateinisch vorgetragen; die Volksschulen dagegen hatten vor der halsbrecherischen Umwälzungssucht des Magyarismus überall den Unterricht je nach der Nationalität in der eignen Sprache des betreffenden Volkes. Wenn dann der Geist wenigstens einigermassen entwickelt war, so kam der Schüler in einem Alter von durchschnittlich 14 Jahren in die Epoche, wo er ganz lateinische Brocken zu verdauen bekam. Wie aber geschieht es in Steiermark (und nicht viel besser im slawischen

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/314&oldid=- (Version vom 23.2.2020)