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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Reihe von Fakten angibt, aus denen es klar und unumstösslich hervorleuchtet, dass erstens die Helden der magyarischen Partei nichts Geringeres beabsichtigen, als alle nicht magyarischen Völkerschaften in Ungarn in der kürzesten Zeit zu magyasiren, dass sie dazu zweitens jedes Mittel für rechtlich halten und ungescheut es in Anwendung bringen, wenn sie auch dabei alle Gesetze der Humanität, die durch die Konstitution gesicherten Rechte der übrigen Volksstämme, das Aufblühen und die Wohlfahrt des Vaterlandes, jeden geistigen Fortschritt, jedes Vorwärtsdringen nach dem Besseren und Höheren mit den Füssen treten und jeden Keim einer geistigen Kraft vernichten sollten. Wir erwähnen nur eines einzigen solchen Faktums; auf S. 12 heisst es: „In Nr. 80. des Hyrnök 1841 wird folgender Plan zur Magyarisirung der Slawen vorgetragen. Die Magyaren mögen Se. Majestät um die Erlaubniss bitten, 60,000 magyarische Soldaten in solche Gegenden zu versetzen, wo das gemeine Volk nicht magyarisch spricht; durch sie wären in drei Jahren 60,000 Häuser mit 300,000 Seelen magyarisirt. Nach drei Jahren sollten jene 60,000 in andere 60,000 Häuser versetzt werden. Binnen 12 Jahren wären 1,200,000 Seelen magyarisirt. Für die Magyarisirung einer jeden Familie bekommt ein solcher Soldat 15 Fl. C. M., deren Betrag von 3,600,000 Fl. im Namen des Vaterlandes bezahlt würde. Um diese Summe herbeizuschaffen, möge 16 Jahre lang kein Landtag gehalten werden u. s. w.“ Man glaube nicht, diese Albernheit sei Scherz; ähnliche Dinge, wenn auch noch so unglaublich, werden zur Wirklichkeit. Auf S. 23 werden vier Männer namentlich aufgezählt, welche auf Befehl ihrer Komitatsregierung mit 64, 50, 40 und 24 Stockstreichen bestraft wurden, weil sie sich bei derselben beschwert hatten, dass in ihrer slawischen Gemeinde Lajos-Komaron ein magyarischer Prediger angestellt sei, den die Gemeinde nicht verstehe. Solche und ähnliche Ereignisse erzählt der Verf. mehrere. Als Aktenstück über denselben Gegenstand wird dann der Recurs der Slawen in Ungarn an S. K. K. apostol. Majestät mit einigen Beilagen mitgetheilt, unter denen das Circulair des Grafen Zay an die vier protestantischen Superintendenten, eine der wichtigen Schriften, in denen die Magyaren ihre Pläne selbst darlegen, und ein Bericht über die Generalversammlung der protestantischen Superintendenten von 1841. Den Schluss bildet ein Artikel: „Ungarische Missstände[WS 1]“, worin der letztere Gegenstand noch einmal gehörig hervorgehoben wird. Die „Zuschrift an den Herrn Grafen Szechenyi“ (wie es anstatt Majlath heissen soll) zeigt, dass es unter den Magyaren auch Männer gibt, welche den Kampf der Nationalitäten von einer billigeren und ruhigeren Seite ansehen.

 Die Stellung der Slowaken in Ungarn, beleuchtet von Leo Grafen von Thun. Prag 1843. Calve. 63 S. Eine kleine, aber inhaltsschwere Brochüre. Graf Thun, der bereits im vorigen Jahre seine Stimme für ein in seinen geistigen Interessen falsch gewürdigtes Volk erhob, sucht auch die Bedürfnisse und die rechtlichen Ansprüche eines seiner Nation zunächst verwandten Stammes mit der ihm gewohnten Klarheit und Entschiedenheit darzustellen und zur öffentlichen Kunde zu bringen. In vorliegenden Blättern theilt er I.) den in Folge jener Brochüre entstandenen Briefwechsel zwischen ihm und einem der Stimmführer der Magyaren mit und benutzt dann II.) in einem „Ueberblick“ diese Correspondenz, „um die Stellung der Slawen in Ungarn der ihnen feindlichen Partei gegenüber anschaulich zu machen.“ Pulszky ist durch jene Correspondenz gezwungen worden, über manche Dinge sich genauer auszudrücken, gegen seine und seiner Genossen Gewohnheit: „Hoch in den Lüften sich zu halten, mit allgemeinen Phrasen zu discutiren, die einen Anstrich von historischem Scharfblick und politischer Weisheit haben. So kann man das Publikum doch eine gute Weile unterhalten, ohne die Schwäche seiner Sache zu verrathen und allenfalls sogar, ohne sie selbst zu bemerken. — Wo man nicht mit schlagenden Beweisen gerüstet ist, da ist es immer eine missliche Sache, ins

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Missstsände
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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/297&oldid=- (Version vom 28.11.2021)