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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Punkte drückt sich der Verf. mit eben so grosser Begeisterung, als entschiedener Kraft und Sicherheit aus. Der ganze Artikel zeigt, mit welchen schnellen Schritten man in Polen mit dem Geiste der Zeit fortschreitet und wie die hervorragenden Männer der Nation ganz auf der Höhe der Gegenwart stehen. — Gleiches Lob der Vortrefflichkeit müssen wir dem folgenden Artikel „Uebersicht der slawischen Literatur vom Jahre 1842, von W. Cybulski“ geben. Der Verf. erklärt sich sogleich im Anfange gegen seine dem Panslawismus abgeneigte Nation genau über denselben. Auch er fordert, wie alle seine Landsleute, für jeden slawischen Stamm eine abgesonderte Thätigkeit zu seinem Zwecke. Auch wir sind weit entfernt, diese Berechtigung negiren zu wollen; auch wir haben wiederholt erklärt, dass nur durch höhere Ausbildung eines jeden Stammes einzeln für sich es möglich wird, die Idee des allgemeinen Slawenthums nicht so sehr in ihrer Natur zu erkennen und zu definiren, als vielmehr sie in die Wirklichkeit, in das praktische Leben zu bringen. Aber wir fordern bei allen dem viel mehr, als der geehrte Verf. Wir fordern bei dieser Selbstentwickelung des einzelnen Stammes eine stete Berücksichtigung der nationalen Gesammtheit, ein ununterbrochenes Wahrnehmen, eine vorzügliche Vervollkommnung dessen, was der ganzen Nation gemeinsam, was ihrem Berufe als Einheit entsprechend ist. Und das ist es, was die Polen bis diesen Augenblick nur selten noch als Recht, als Pflicht anerkennen. — Nachdem der Verf. hierauf den Charakter[WS 1] der slawischen Literatur in der Gegenwart im Allgemeinen als archäologisch und philologisch bezeichnet hat, geht er auf die Darstellung der czechischen Literatur über, welche unter den übrigen eine vorzügliche Beachtung verdiene. Der archäologische und überhaupt wissenschaftliche Literaturzweig werde hier am tüchtigsten kultivirt; die Belletristik stehe niedriger, einen Nationaldichter, wie Puschkin, oder Mickiewicz hätten die Czechen nicht; in Jablonsky könne ein solcher entstehen; die Thätigkeit des böhmischen Museums wird nach Gebühren gewürdigt; auch die Leistungen der Slowaken, als zur böhmischen Literatur gehörig, besprochen. — Die illyrisch-serbische Literatur, ihre Stellung und die würdigen Bemühungen Gaj’s sind mit besonderer Vorliebe dargestellt, und die Ansicht ausgesprochen, dass die Illyrer die grösste Aehnlichkeit mit den Polen haben: „Eine höhere Poesie, auf das Volklied sich stützend, aus dem Geiste der Nation, aus der Wirklichkeit des Lebens fliessend, eine Poesie, durch ihre Gluth, durch ihre Aufopferung erwärmend, eine Poesie der Begeisterung, die mit prophetischem Auge in die Zukunft blicke, eine solche Poesie ist gegenwärtig nur bei den Polen und den Illyrern zu suchen. Von allen Slawen kann der Pole und Illyre, scheint mir, heutzutage am ehesten vom Herzen, von der Idee begriffen und aufgefasst werden. Im Norden glüht unser Herz für das Volk, wie bei ihnen im Süden. Dieselbe Bereitwilligkeit zur Aufopferung, wie bei uns, derselbe Durst nach Unabhängigkeit und Freiheit, wie bei ihnen, dasselbe Feuer der Begeisterung, dieselbe Melancholie in der Erwartung. Der Morgenstern und der Mond — das Wappen ihres Volkes — die schönsten Sterne auf dem Himmel für die Einbildungskraft, ehe sie die Tagessonne des Lebens entflammt — die ideale Devise der Vereinigung der einzelnen Stämme der illyrischen Sloga. Der Reiter und der Adler — unsre poetischen Zeichen der Devise eines Brunderbundes zweier durch Geist, Phantasie und Herz lebendigen ritterlichen Völker. Das Eine wie das Andere, ein schönes, einfaches und bedeutungsvolles Gebilde des tiefen ahnenden Sinnes des Volkes, poetische Symbole der Liebe, der Freundschaft, der Verbrüderung, der Aufopferung — mit dem Charakter des allgemein Menschlichen. Nur unter diesen Zeichen kann sich ein neues Leben im Slawenthum entfalten.“ — Der Abschnitt über die russische Literatur ist polemisch, wie jeder Artikel, in welchem ein Pole über russische Zustände spricht; doch bleibt er vorurtheilsfreier, als man dies von einem Polen gewohnt ist. Der Druck der Regierung, der auf der Literatur lastet, sagt der Verf., giebt ihr durchaus den Charakter des politischen Strebens derselben.

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/292&oldid=- (Version vom 18.12.2019)