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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Vaterlandes berathschlagtet und euch, über deren Häuptern das Schwerd des Damokles hanget, ohne euer Herz erschüttert, ohne euren Muth gebeugt zu haben. Ihr alle Helden und Märtyrer der öffentlichen Sache, deren ungebeugter Charakter das Recht selbst, deren unerschrockenes Herz die Liebe selbst, deren jede That die Aufopferung selbst war: ihr seid die Ideale des bürgerlichen Muthes. Die Muster, die ihr uns hinterlassen, sind unerreicht. Erhaben über die gewöhnlichen Massen glänzet ihr durch euer Andenken und euren Ruhm vor ihnen, wie leitende Sterne auf der Bahn des öffentlichen Lebens. Euch ehren und euren Namen preisen können wir, aber euch gleichzukommen sind wir nicht im Stande.“ Der Verf. stellt dann den historischen Hergang der Entwicklung dar, welche die bürgerlichen Tugenden bisher erreicht haben; und nachdem er so den Charakter des bürgerlichen Muthes genau entfaltet, bespricht er die Bedingungen desselben, seine Grundlage und die Ausbildung desselben. „So lange wir unter dem Namen Bürger nur den Ackersmann und den Bürger verstehen, der ausser seiner Kunst nichts gelernt hat, und von allen übrigen eine solche Vorstellung hat, wie etwa vom chinesischen Reiche: so lange bleibt das Streben nach Communal- und politischer Freiheit eine Ironie“, heisst es S. 25. Und weiter unten: „Es handelt sich nicht darum, dass wir die Vortheile von uns weisen sollen, welche uns die Landeseinrichtung gewährt; sondern daraus folgt die unabweisliche Nothwendigkeit, alle unsere Kräfte auszubilden, damit wir nicht nur mit der Regierung gleich hoch stehen, und ihre Vorschläge beurtheilen können, sondern dass wir durch Verstand, durch Wissenschaft und Sachkenntniss sogar höher stehen, als die Beamten, und dass wir so in der That eine Controle, eine höhere Instanz für dieselben seien. Diese wissenschaftliche und thatsächliche Ueberlegenheit wird eine moralische Macht werden, wenn sie durch bürgerlichen Muth unterstützt wird. Solche Männer werden erst die wahren Grundpfeiler des Landes, an denen alle unrechten Angriffe und Machinationen zerschellen müssen, woher sie auch immer kämen.“ — „Im Bürgerlichen ist der Muth ohne Wissenschaft, wie ein Schuss ohne Kugel.“ Im alten Polen hatten die grössten Männer des Staates die Gewohnheit, eine grosse Zahl junger Männer der ersten Stände um sich zu versammeln und sie praktisch und durch ihr eigenes Beispiel zum bürgerlichen Muthe zu erziehen; jetzt kann es nur durch eine kräftige geistige Bildung geschehen. Die dritte Bedingung zum bürgerlichen Muthe ist Unabhängigkeit, die innere des Herzens, die äussere der Ehrsucht und die der Stellung im Leben. Ausser der Furcht hat besonders die Ehrsucht einen wichtigen Einfluss. Der Verf. theilt die Ansichten Corne’s mit; setzt dann hinzu, dass in dieser Hinsicht die Polen während ihrer nationalen Unabhängigkeit selbst die ihnen geistesverwandten Franzosen übertroffen haben: „Die Monarchie mit einer Adelsrepublik vereinigt, vereinigte den Stolz des Geschlechtes, des Amtes und des Titels mit der Ehrsucht des Regierens, der Anführung, welche das Recht der gänzlichen Gleichheit noch mehr nährte; und so wurde das Leben der Polen, wie das der griechischen und römischen Bürger ausschliesslich öffentlich.“ Die Schilderung Corne’s wird mitgetheilt. — Nicht weniger schädlich wirkte auf Polen die politische Höflichkeit. Ein humoristischer Schriftsteller beweist, dass die Höflichkeit Polen gestürzt habe: „O glaubet mir“, sagt er, „dass ihr alles Unglück, alle Niederlagen, alle Schmach, allen Verrath und alle Ohnmacht, welche die lange Reihe unserer Geschichte bezeichnet, alles aus dem einen Standpunkte der Höflichkeit am Besten übersehen und würdigen könnet; und es wäre vielleicht eben so glücklich als nützlich, die geehrten Schüler eines Gall und Spurheim’s zu bitten, dass sie uns den Knoten der Höflichkeit auf dem menschlichen Schädel recht genau angeben, damit wir in der Zukunft Jedem, der uns zum Führer dienen will, zuvor jenen verfluchten Knoten heraushauen.“ Dann geht der Verf. zu den Hilfsmitteln des bürgerlichen Muthes über; sie sind das öffentliche Handeln, Pressfreiheit und Geschworengerichte. Ueber diese drei

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/291&oldid=- (Version vom 25.11.2019)