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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

über den Menschen des in der gelehrten Welt bekannten Pope übersetzte er, ohne selbst die englische Sprache zu kennen, aus dem Französischen in das Russische mit solcher Kunst, dass er nach der Meinung von Kennern dem Originale sich viel mehr näherte, was nicht nur seine Gelehrsamkeit, sondern auch sein tiefes Eindringen in die Gedanken des Autors beweiset. Der Inhalt dieses Buches ist so wichtig, dass es sogar schwierig ist, dasselbe selbst in Prosa gut zu übersetzen; er aber übersetzte aus dem Französischen, übersetzte es in Versen, übersetzte mit vollendeter Kunst, wie ein Philosoph und Dichter; gedruckt ist das Buch in Moskwa 1757. Er übersetzte aus der lateinischen Sprache in lateinischen Versen (d. i. Hexametern) den Brief des Horaz über die Dichtkunst und einige seiner Oden; auch übersetzte er Loke’s Buch über die Erziehung der Kinder in Prosa. Diese Uebersetzung übertrifft nach der Meinung von Kennern beinahe das Original. Er verfasste auch einige Reden, welche in öffentlichen Versammlungen gelesen wurden, und schrieb selbst feierliche Oden. Ueberhaupt ist seine Dichtung rein und fliessend, seine Darstellungen einfach, klar, angenehm und vortrefflich (S. 168—169).“ Popowski starb, dreissig Jahre alt, und verbrannte seine Uebersetzung des Titus Livius, wovon er mehr als die Hälfte fertig hatte, und die Uebersetzung vieler Oden Anakreon’s, weil er selbst mit seiner Uebersetzung nicht zufrieden war und befürchtete, sie möchten nach seinem Tode nicht gedruckt werden. Popowski’s Verse sind mit Rücksicht auf die Zeit wirklich gut und seine Unzufriedenheit mit den Mängeln seiner Arbeiten bezeichnet ihn noch mehr als einen Menschen mit Talent. Bemerken muss man noch, dass viele Stellen in seinem Versuche die damalige Censur nicht passirten.

 Cheraskow hat ganze zwölf Bände vollgeschrieben. Er war Epiker, Lyriker und Tragiker, ja schrieb sogar Rührstücke (thränende Dramen) und Komödien, und zeigte in dem allen die grösste Zuneignng zur Literatur, die grösste Gutherzigkeit, die grösste Arbeitsliebe und die grösste — Talentlosigkeit. Aber die Zeitgenossen dachten anders über ihn und betrachteten ihn mit einer Art von knechtischer Ehrfurcht, wie sie weder Lomonosow, noch Derżawin zu erregen im Stande waren. Der Grund davon war der, dass Cheraskow Russland mit zwei episch-heroischen Dichtungen beschenkte, mit der „Rossiade“ und mit „Wladimir.“ Die epische Poesie galt damals für die höchste Gattung der Dichtkunst, und kein Epos zu besitzen, galt damals für ein Volk so viel als gar keine Poesie zu haben. Wie gross musste der Stolz unserer Väter sein, welche wussten, dass die Italiener nur ein einziges Epos „das befreite Jerusalem,“ die Engländer eben so viel, „das verlorene Paradies,“ die Franzosen auch nur ein einziges, die vor Kurzem erst geschriebene „Henriade,“ die Deutschen ebenfalls eine einzige, „die Messiade,“ welche zu gleicher Zeit mit denen Cheraskow’s geschrieben war, ja die Römer selbst sogar nur ein einziges halten, während „wir Russen,“ so wie die Griechen ganze zwei besassen! Nach dem Werth dieser beiden fragte man nicht, um so mehr, da Niemand der Gedanke an die Möglichkeit einfiel, an dem hohen Werthe derselben zu zweifeln. Selbst Derżawin blickte auf Cheraskow mit Ehrfurcht, und schrieb einmal, ohne es zu ahnen, ein böses Epigramm auf denselben, indess er meinte ein Madrigal zu schreiben; er endigt nämlich das Gedicht „Kljucz“ mit folgenden Versen:

den Schöpfer der unsterblichen Rossiade,
o heil’ger Grebenewer Quell,
tränktest Du mit der Dichtung Wasser!

 Auch Dmitriew drückte seine Bewunderung für Cheraskow aus, indem er unter sein Portrait die Worte setzte:

Lass auch vor Neid der Zoilaster Herzen schwellen,
Kein Nachtheil wird Cheraskow draus entstehn;
Ihn deckt Wladimir und Joan als Schild,
Die in den Tempel der Unsterblichkeit ihn leiten.

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/279&oldid=- (Version vom 24.11.2019)