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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

 2. Namen von Werkzengen:

 Ancora, lat. anchora, uncus, gr. ἄγχνρα, deutsch Anker, russ. jakor; vgl. hák (gebogener Nagel), hánka, wuhel, wengiel, (angulus, Winkel), von h-nu, h-nul, hýbám, shýbám: wie von sek sekyra (Beil), so von hák, hanka, hakyra, hankora, und mit Auslassung des h ankora; von hn, hyb ist auch das gleichbedeutende ham, hama, hamus gekommen.

 Balla, Ballen, abballare, imballamento, vgl. bal, Pack, balik, obal, obwal, obaliti, obwaliti.

 Bàrca, Barchetta, vgl. barka, baraun, barák; von bar, war, d. i. Wohnung, Haus, Schloss (auf dem festen Lande oder am Wasser); vgl. auch wor = plt’, Floss.

 Barcaruolo, Barcarol, vgl. barkař, Schiffer.

 Batello, franz. bateau, deutsch: Boot, vgl. buda (Hütte) baudka, budowa, budar, budují; davon auch batár, Wagenhäuschen auf Rädern.

 Bord, Bordo, vgl. d. illyr. Brod Schiff, von bredu, broditi, waten.

 Caravella, garavella, franz. corvette, vgl. korba, koráb, korabl; korban, korman, Steuerruder, kormanik, Steuermann.

 Flotta, dtsch. Flotte, Plätte, vgl. plt’, Floss, poln. plot v. plúti, plytwati, fliessen, schwimmen.

 Finanz, vgl. peníze, Geld, poln. peniądze.

 Gondola, Condola, Häuschen zum Schiffen; vgl. sl. kutja, kutica, kutina, kontina (Winkel, Gesindestube), wovon auch Konta, Konda, Ore-Konda d.i. Arkona. Zu dieser Wurzel gehört auch kot, kotec, koterec; koč, Kutsche, koči, kočar; kocabka (Schiffchen), kocanda (grosses Haus). Bei den Russen bezeichnet koč, koča noch jetzt Schiff. In Betreff der Endungen kont-ola, Kont-ula vgl. stodola, mrtw-ola, kram-ola, korbula, rohula, serbulja etc. Bei den Slawo-Dalmaten finden sich auch Personennamen von diesem Worte: Gondola, Gundulič etc. Diese kontola, gondola ist ein wirkliches domek, Häuschen, hat Dach, Thür, Stube, Fenster mit Laden und inwendig Sitze, Bilder, Krucifix, Weihwassergefäss u. s. w.

 Pavillon, deutsch: Flagge; vgl. pawlak, powlaka, russ. powolok, pawlan (Zeltdach), wlak (Schleife), wlakno; wlaji.

 Piloto, pilot, pilotin, Schiffsführer, von plt’, plot, mit zwischen p-l eingeschobenem і pilot, d. i. plt-ník, plt-ák, Flösser. So kommt auch das engl. lodis-man, lodes-man, das dän. loods, das deutsche Lothse, Lothsmann vom slaw. lod’, Schiff, lodnik, Schiffer, her; desgl. Lothsgeld gleichfalls daň od lodi, Schiffsgeld.

 Tona, deutsch: Tonne, Stunze, vgl. tona tunka, dunice, oddunauti, dutina.

 3. Namen von Winden:

 Sirocco, Širocco, sl. žarko, glühend heiss.

 Bora, sl. bura, burja, Sturm; vgl. russ. boran.

 Moretta, boretta, kleiner Sturm, bauřečka.

 Hieher gehört noch nothwendigerweise das europäische Hanza, Ansa, Anseaticum foedus, welches vom slaw. uza, auza, uzel, polabisch: wunzal, uzda, waza, swaza, swazek, wazba gekommen ist; woher auch das russ. so-juz, moto-wauz, haužwa, obáslo, obwiąslo, powiaz, powěsno, prowaz, prewiaslo, powřislo, wězeň u. s. w., von der Wurzel uzký, eng, anžiti, wázati, binden. Uza, Auza oder mit dem Rhinesmus Anza, Hanza ist = Einheit oder Bund von Handelsstädten. Uza, uzy russ. u. kirchensl.: Fesseln. Das H in dem Worte Hanza, haužew ist bloss Aspiration, wie in okno (Fenster), hokno, wokno, oheň, woheň, u. dgl. Hieher gehört auch das ital. Compagno, Compagnia, sl. Kompan, Kumpan, von der Wurzel kopa, kupa, mit dem Rhinesmus kepa, kompa, kumpa d. i. Gesellschaft, Versammlung, davon kompan = Einer aus der kompa, aus der Gesellschaft, Kamerad (wie von kraj krajan, země zeman); illyr. kupiti versammeln, skup, skupnost, skupština Versammlung, Gesellschaft; vgl. das lat. copia. — Hieher gehört auch Cechin. Es gehört das germ. Lodisman, Lotsman, Lotse, slaw. lod’, lodnik; das deutsche War, Waare, sl. towar; das deutsche Kram, Krämer, vgl. chrám, chrana. Schiavino Rathsherr; Boemio czechische Bettdecke u. s. w. Dass der grösste Theil dieser Wörter von den Slawen, welche hier auf dem Jaderischen (adriatischen), dort auf dem Baltischen Meere Handel u. Schifffahrt trieben, schon in uralter Zeit zu einigen benachbarten, vorzüglich italischen u. germanischen, von Krieg u. Fang sich nährenden Völkern übergegangen ist, ist daraus zu ersehen, dass das Wort Hanza den Gothen schon im IV. Jahrhunderte bekannt war; denn Ulfilas braucht es im J. 360 in der Uebersetzung des Evangeliums des Markus, indem er sagt: „Hanza mikila manageins“ d. i. eine grosse Menge Volkes. Dieses Wort Hanza erborgten die Gothen von den Slawen, so wie auch andere gleichfalls von Ulfilas gebrauchte Ausdrücke, z. B. dulgs, dluh Schuld, plats, plat Bezahlung, sinopeis, župan Herr, skosl, kuzlo, lange Kleidung, poderis, smakka, smokwa, theirko, dirka Loch, marzjan, mrzeti verdriessen, plinsjan, plesati klatschen (hüpfen) u. s. w.

III. Geographische Namen.

 Zu diesen grammatikalisch-lexikalischen Beweisen kommen auch noch die geographischen hinzu; denn der grösste Theil der Städte-, Dörfer-, Burg-, Fluss-, Bergnamen ist slawischen Ursprungs. Wir geben hier Folgendes.

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/266&oldid=- (Version vom 8.6.2019)