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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

das Schulwesen in der Kaschubei bestellt. Im Kösliner Regierungs-Departement, wo in den Kreisen Lauenburg, Bütow, Stolpe, Rummelsburg und Neu-Stettin wenigstens 40,000 Kaschuben wohnen, sowie im Danziger Regierungs-Departement, wo die Deutschen höchstens den vierten Theil der Bevölkerung ausmachen, giebt es in den Schulseminarien eben so wenig einen Lehrer für die slawische Sprache, wie an dem Klerikalseminarium in Pelplin oder an den betreffenden Gymnasien. Um aber auch noch den Fruchtkeim einer etwa aufkommenden Selbstausbildung in diesem Gebiete im Vorhinein zu vernichten, vergisst man nicht, den angehenden Schullehrer noch vor der Leistung des Eides mit dem Plane der Behörde aufs Genaueste bekannt zu machen; denn man weiss ja, dass gewiss nur selten Einer seine ganze Existenz, seinen ganzen Lebensplan hinopfern wird, wohl wissend, dass zwanzig deutsche Jünglinge darauf harren, an seine Stelle zu treten, die dann der Sache nur desto grösseren Schaden bringen; man weiss ja, dass selbst der eifrigste Freund seiner Nation immer noch, selbst unter dem schweren Drange noch hofft, wenigstens etwas für sein Volk thun zu können, da er ja den ganzen Umfang dieses Dranges nicht zu übersehen vermag. Wenn daher auch einer oder der andere unter diesen jungen Männern von Geburt ein Slave ist, so wird er schon durch diese Maassregeln so sehr eingeschüchtert, seiner Muttersprache so sehr entfremdet, bekommt einen so falschen Begriff von seinem eigentlichen Berufe, dass er erst spät oder wohl gar nicht zu der Einsicht gelangt, dass seine Bestimmung vernunftgemäss keine andere sein kann, sein darf, als die: die Kinder seiner Schule zu lehren, zu bilden, zu erleuchten. Denn diesen Weg zeigt ihm weder die unterm 25. Juni 1834 erlassene „Instruction zum Unterricht in der deutschen Sprache bei Schulsozietäten fremder oder gemischter Zungen“, noch das hiezu im August 1837 erschienene Supplement, welche beide, man mag sagen was man will, die Schule zur Verbreiterin der deutschen Sprache missbrauchen. Bei so bewandten Umständen ist natürlich an einen Fortschritt in der Bildung des Volkes gar nicht zu denken. Die Früchte eines solchen unglückseligen Dorfschulunterrichts sind leider gewöhnlich die, dass nicht nur die besten Jahre der Jugend verloren gehen, sondern dass dieselbe oft noch auf den schrecklichen Gedanken geführt wird, dass alles, was ihre Eltern thun, Unsinn sei, dass ihre Sprache die grösste Verachtung verdiene, dass man ihre Frömmigkeit und die Art ihrer Gottesverehrung verlassen müsse. Nur zu klar, nur zu deutlich prägen sich diese Gedanken in den Handlungen der heranwachsenden Generation zum grössten Schmerze der Eltern und Verwandten, zum wahren Unglücke der Mitmenschen und der Nachwelt aus. Die Gotteshäuser werden leerer, die Gebetbücher seltener, das Singen andächtiger Lieder nimmt ab; dafür aber wächst das Lärmen in den Brandweinhäusern, und alle Laster breiten sich mit reissender Schnelligkeit aus; denn die edelsten Gefühle sind dahin, und nichts hat man an ihre Stelle gesetzt, als ein Paar armselige Wörter aus einer fremden Sprache, deren Geist man nie aufzufassen vermag, deren Bildung und beseligende Kraft man nie an sich zu erproben im Stande ist.

 Während nun so in der Jugend jeder Keim des Besseren ungepflegt abstirbt, während sogar jedes von selbst erwachte edlere Gefühl erstickt wird, lässt man auch das gesetztere Alter nicht unberührt von dem zersetzenden Einflusse. Männer und Greise müssen sich es gefallen lassen, dass ihnen die Aussprüche der Gerichtsbehörden ganz unverständlich bleiben, und sie nicht selten Strafen bezahlen müssen, deren Ursache ihnen unerklärlich ist. Der Grund davon liegt an den Dolmetschern. Im Kösliner Regierungs-Departement hat man nämlich bei den Gerichten gar keinen solchen, und im Danziger Regierungsbezirk sind sie hin und wieder so schlecht, dass sie selbst nicht verstehen, was sie übersetzen. So übersetzte einmal ein solcher in Neustadt (W. Pr.): „Die Kosten sind niedergeschlagen“ ins Kaschubische: Koeszsa sa, na zemia rzurone d. h. die Kosten sind auf die Erde geworfen. Und ungeachtet der Bauer mehre Mal sein „Co panie?“, — was mein

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/257&oldid=- (Version vom 21.1.2020)