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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

VII.
Miscellen.

 Die Rusinen in Galizien regen sich in literarischer Beziehung. Lewicki arbeitet an einer zweiten Ausgabe seiner deutschen Grammatik der ruthenischen oder kleinrussischen Sprache; Skomorowski bearbeitet ein Wörterbuch; einige junge Leute sammeln Idiotismen der russischen Sprache und andere beschäftigen sich mit literarischen Gegenständen, um die Sprache auszubilden und den Sinn für Nationalliteratur zu beleben.
(Ost u. West.)
 Die „Kwěty“ berichten aus Wien: „Gewiss interessant dürfte die Nachricht von einer Privatunterhaltung sein, welche Ihre Erlaucht die Gräfin Anna von Harrach, geborne Gräfin von Lobkowic, zur Namensfeier ihres Gemahls am 2. April gegeben hat. Es wurde zu diesem Zwecke Klicpera’s zweiaktige Posse: „Rohowjn čtwerrohy“ (Rohowjn Viereck) gewählt, welche gewiss noch nie in der Residenz von solchen Schauspielern und vor solchem Publikum aufgeführt wurde, wenn sie nicht gar die erste böhmische Vorstellung ist, die in Wien gegeben wurde. Nebst dem Herrn Johann Alfred, Grafen von Harrach, spielte Herr Graf Rudolf Kinsky und die Fürsten Moritz und Georg Lobkowic, Adolf von Schwarzenberg, so wie auch Alexander von Schönburg. Das Publikum bestand nebst der erlauchten Familie des Hausherrn grösstentheils aus Verwandten und Mitwirkenden, und aus anderm sich in Wien aufhaltenden böhmischen Adel. Die Theilnahme aller Anwesenden war ungemein lebhaft. Namentlich war es erfreulich anzusehen, welchen Gefallen die hohen Frauen dieser Gesellschaft an den süssen Tönen unserer Muttersprache zeigten. Die Vorstellung selbst war so gelungen, dass wir gerne ausführlicher darüber sprechen würden, wäre diese Feier nicht mit dem Schilde der Häuslichkeit bedeckt.“
(Ost u. West.)

 Bei Stefanski in Posen erschien das erste Bändchen des Werkes: Dwa Głosy, 2 Stimmen, oder: der beendigte Process; in polnischer und französischer Sprache. Nach dem Tode Martin Dunins von Jan Olszewski, ehemaligem Gymnasialprofessor zu Longers in Frankreich, Lehrer der polnischen, französischen und englischen Sprache.

 In der neuen Buchhandlung (Lukaszewicz) wird angekündigt: „Die polnische Frau in 3 Jahrhunderten“ von D. M. Es soll eine gute Schrift sein.

 Unter den Schulbüchern, welche in Folge der Einführung der polnischen Sprache auf den Gymnasien gegenwärtig erscheinen, nimmt die griechische Grammatik von Dr. Cegielski die erste Stelle ein. Gut ist auch die „Geographie für Schulen“ nach Selten.
(Dz. dom.)


Aus Petersburg.

 Sprachenkunde in Russland. Von Sjögren erscheint nächstens eine ossetische Grammatik in russischer und deutscher Sprache; die Osseten bilden nach seinen Forschungen ein Mittelglied zwischen den Persern und Germanen. Ferner wird gedruckt eine aleutische Grammatik; auch haben die Linguistiker eine tscherkessische Sprachlehre unter Mitwirkung Sjögrens zu erwarten. Das Tscherkessische hat auch nicht die geringste Aehnlichkeit mit irgend einer andern der bekannten Sprachen. Von Kowalewski, dem Mongolisten in Kasan, erscheint nächstens eine Geschichte der Mongolen; in Kasan wird ein Lehrstuhl für das Tibetanische errichtet, und ist deshalb ein junger Russe, Wassiliew, nach Peking geschickt worden. Auch in Finnland geschieht viel für die einheimische Sprachenkunde; die finnischen Syrjanen werden bald mit einem Wörterbuche versehen sein. Selbst eine afghanische Chrestomatie und ein dschagatei-türkisches Glossarium liegt zum Drucke bereit.

 Geschichte Kleinrusslands. Meine frühere Ansicht über die Geschichte Kleinrusslands von Markiewicz muss ich einigermaassen modificiren; ich wusste nicht, woraus er das Gute, das er hat, abgeschrieben habe, nämlich aus der handschriftlichen Geschichte Kleinrusslands vom Bischof Georg Konijskij. Diese wird jetzt mit kritischen Bemerkungen von Ustrjalow gedruckt. Die historische Gesellschaft in Moskau veranstaltet eine Herausgabe der kleinrussischen Chroniken unter Bodjanski’s Mitwirkung. Auch für eine vollständige Sammlung der litthauisch-russischen Chronisten geschehen Schritte. Die vollständige Sammlung der in kirchenslawischer und grossrussischer Sprache geschriebenen Chroniken schreitet unter der archäographischen Commission rüstig vorwärts. Ausser dem 1841 erschienenen drei Nowgoroder Chroniken ist in diesem Augenblicke die sogenannte Ipatiewsche Chronik von ihr oder der 2te Band der Sammlung erschienen; sie ist sehr wichtig für die Geschichte des südlichen und westlichen Russlands seit dem 12ten Jahrhunderte. Dann wird fleissig an der nach beinahe 60 Handschriften verglichenen Chronik Nestor’s gedruckt, welche den ersten Band der vollständigen Sammlung ausmacht. Dann soll folgen die Wolynische Chronik nach 3 Handschriften, als der 4te Band dieser Sammlung. Die ganze vollständige Sammlung wird sich auf etwa 20 Bände belaufen. Ferner hat die archäographische Commission wieder 1 Band von histor. Akten in ausländischen Sprachen, und abermals 2 Bände histor. Akten in russischer Sprache herausgegeben. Von nun an wird sie sich ausser mit dem Druck der Nestor’schen und Wolynischen Chroniken mit

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/250&oldid=- (Version vom 14.1.2020)