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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

zu erwarten haben, und im Voraus die Gegenstände etwas genauer zu bezeichnen und die Reihenfolge zu bestimmen, in welcher sie besprochen werden sollen, geben wir nur noch eine kurze Uebersicht dessen, was Schafarik über die Geschichte der Slawen dieser Periode im Allgemeinen sagt.

 II. Zeitraum. Vom Falle der hunnischen und römischen Herrschaft bis zur Ueberhandnahme des Christenthums unter den Slawen.

 1. Abschnitt. Geschichte und Ausbreitung der Slawen im Allgemeinen. §. 24. Die Behandlung des zweiten Zeitraumes unterscheidet sich gar wesentlich von der, an welche der Verfasser im ersten gebunden war; und zwar nicht bloss durch die Zeit, sondern vielmehr noch durch die besprochenen Gegenstände; denn dort galt es, das Urslawenthum aus der finstern Nacht der Vergessenheit und des Verfalles zu retten, und dazu waren oft Untersuchungen der scheinbar unbedeutendsten Gegenstände nothwendig; dort handelte es sich meistentheils um Streitsachen, welche den verschiedensten Auslegungen, allerlei Hypothesen und mannichfachem Widerspruch unterliegen; hier ist dagegen ein weites Feld von historischen Ereignissen zu überschauen, von den zahlreichen, von jedem Historiker den Slawen unangefochtenen Fakten die wichtigsten, die charakterisirenden und die in einander eingreifenden herauszuwählen. Endlich durch den Reichtum, die Umfänglichkeit und die Klarheit der historischen Quellen, welche für die Zeit seit dem allgemeinen Bekanntwerden der Slawen in Europa auf uns gekommen sind; denn dort waren die Slawen in den einzelnen, zweideutigen, oft sich selbst bald scheinbar und bald wirklich widersprechenden, ja selbst falschen Nachrichten unter fremden, ihnen von auswärtigen Völkerschaften oder nach der Lage ihrer Sitze beigelegten Namen verborgen; hier treten sie nun bereits unter ihrem eigenen Gesammtnamen und unter den verschiedenen Stamm- und Zweignamen auf, in welche sie sich im Verlaufe der Jahrhunderte zertheilt, und geben ihnen auch einzelne Schriftsteller noch fremde und unbestimmte, wie z. B. geographische Namen, so zeigt sich doch aus ihren Schriften selbst, so wie durch das Zusammenhalten mit anderen gleichzeitigen, oft reichlich fliessenden Quellen, mit der genauesten Evidenz, dass sie von den Slawen reden. — Die Ueberhandnahme des Christentums und somit den Schluss seiner Untersuchungen in den slawischen Alterthümern setzt Schafarik auf die Jahre 965 u. 988, wo die Fürsten der Polen und Russen, der zwei slawischen Hauptvölkerschaften, sich taufen liessen, desshalb, weil dies ein entscheidendes Faktum für das Geschick der Slawen, so wie Mitteleuropa’s (denn welch einen ganz andern Gang hätte die Geschichte unseres Erdtheils genommen, wenn Wladimir und seine Bojaren, wie sie nach dem Zeugnisse Nestors bei den glänzenden Schilderungen der mohamedanischen Priester von ihrem Paradiese und seinen Seligkeiten schon nahe daran waren, den Glauben Mohameds angenommen hätten!! —) und zugleich der Anfangspunkt eines ganz neuen Lebens und Entwickelns aller slawischen Völkerschaften ist. — §. 25. Nachrichten von den Winden, Anten, Slawen,. Durch den Sturz des hunnischen und römischen Reiches ging das Uebergewicht in der Geschichte Europa’s auf die Germanen und Slawen über; es erfolgten die grossen Wanderungen dieser beiden Nationen, welche verschiedene Richtung und verschiedene Gründe, aber gleiche Folgen für beide hatten. Die Germanen wanderten aus Wanderlust; die Slawen gedrängt durch die Umstände. Unter den Wanderungen der Slawen müssen zwei Hauptzüge unterschieden werden; 1) der von ihren Ursitzen an der Donau nach dem Norden vom IV. Jahrhundert vor Chr. bis zum II. nach Chr., weil sie von den Kelten, Germanen und Römern bedrängt wurden, und bei den finnischen Völkerschaften in den fruchtbaren Ebenen Mittelrusslands nur schwachen Widerstand fanden; 2) der umgekehrte Zug vom Norden nach dem Süden und dem Südwesten zurück aus den Landstrichen jenseits der Karpathen nach Mösien, Illyrien, Ungarn, Böhmen und Nordostdeutschland im III. bis zum VII. Jahrhunderte. Diese Gegenden waren durch die Ereignisse der Völkerwanderung bedeutend entvölkert, und da die friedfertigen und ihre im Schweisse des Angesichts zur Fruchtbarkeit und Kultur erhobene Heimath liebenden Slawen die Wanderlust ein Mal ergriffen hatte, sei es wegen des

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/24&oldid=- (Version vom 15.9.2022)