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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Slawen von Seiten der Griechen und Römer liegt theils darin, dass sie mit ihnen weniger in Wechselverhältnisse in Krieg und Frieden kamen, da sie ihnen fern sassen; theils weil die alten Slawen ein stilles Volk waren, das den Frieden über alles liebte, um seinem Ackerbau, den Gewerben und dem Handel obzuliegen, und so der Weltgeschichte, welche immer mehr Rücksicht nimmt auf wilde Kämpfe und Schlachten, als auf harmloses Glück im Schosse einer geliebten Heimath, wenig Stoff zu äusserlich glänzenden Berichten gaben. Denn der Krieg war nicht das Handwerk der Slawen und die Waffen trugen sie nur zum Schutz, nicht aber zum Angriff. Liebe zum Frieden war die schönste Tugend in ihrem Charakter; allein ohne dass sie in Feigheit ausartete; denn gar oft führten sie blutige Kriege mit ihren Nachbarn, wie die Geschichte erwähnt; auch mochte es in ihrer Heimath nicht ohne Kampf und Fehde gegangen sein, eben so wenig als sich annehmen lässt, dass sie die deutschen Gegenden diesseits der Oder bis zur Saale und niedern Elbe nur in friedlicher Colonisation besetzt haben, da in diesen Gegenden trotz aller Auswanderungen noch ansehnliche deutsche Völkerstämme zurückgeblieben sein mussten. Uebrigens liefert die Geschichte der hier eingezogenen Slawen die glänzendsten Beweise von ihrer Tapferkeit, trotz dem, dass sie von den deutschen Historikern fast durchweg im ungünstigen Lichte dargestellt werden. — Eben so sparsam als über die Geschichte sind bei den Alten auch die Nachrichten über den geistigen und den Culturzustand der Slawen; das erhellt aber klar aus allen Zeugnissen zusammengenommen, dass sie ein Ackerbauvolk waren, und zwar ein der Barbarei entwachsenes, feineren Sitten bereits hingegebenes, daher den Fremden nicht feindseliges, sondern zugängliches und gastfreundliches Volk waren, das bereits in jenen Jahrhunderten nicht ohne mannichfaltige Erfindungen, Bequemlichkeiten im häuslichen Leben, Handel und Gewerbe sein konnte; es mögen fremde Schwärmer und Verläumder der Nation dagegen behaupten, was sie wollen. Ihr Cultus war einfach und ohne Menschenblut; sie glaubten an einen obersten Gott, an die Unsterblichkeit; alle Menschen waren einander gleich, eine Bevorzugung, eine Art Adel, kam erst vom Westen herein; Knechtschaft und Sclaverei nahmen sie im Westen von den Deutschen, im Süden von den Römern und Kelten an; in den ältesten Zeiten bestand das Gesetz, dass ein Gefangener oder Sclave, wenn er ein geborner Slawe, augenblicklich frei war, sobald er slawisches Gebiet betrat; fremde Sclaven durften sich nach einer bestimmten Zeit vom Ertrag ihrer Händearbeit loskaufen, und konnten dann nach Hause zurückgehen oder als Freunde im Lande bleiben. Neben dem Ackerbau, und der mit ihm verbundenen Vieh- und Bienenzucht war die Jagd, besonders aber der Handel, ihre Hauptbeschäftigung. Ihre Priesterschaft stand bei den Nachbarvölkern im höchsten Ansehen durch ihre Wissenschaft; die Runenschrift war ihnen genau bekannt. Zwei Hauptfehler aber hat man den Slawen, den alten wie den spätern und den gegenwärtigen, vorzuwerfen, ihre innere Zerrissenheit und Uneinigkeit, und ihre Zuneigung für das Fremde.

 Mit diesen Betrachtungen, welche der Verfasser im zweiten, dem kulturhistorischen Theile seines Werkes weiter auseinander zu setzen verspricht, beschliesst er den ersten Zeitraum des slawischen Alterthums. Wir durften uns bei der Uebersicht der darin verhandelten Gegenstände kurz fassen, weil die Uebersetzung dieses ersten Zeitraumes von M. v. Aehrenfeld und Dr. H. Wuttke bereits gegenwärtig bei Engelmann in Leipzig ausgegeben und somit denen, die sich für die Sache interessiren, Gelegenheit geboten ist, sich selbst an der Quelle umzusehn[1]. Ein anderes ist es mit der Uebersetzung des zweiten Zeitraumes, deren Erscheinung sich wohl noch einige Zeit hinziehen dürfte und welche auch viel detaillirtere Forschungen enthält, die sich nicht werden so kurz zusammenfassen lassen. Eine Uebersicht des ganzen zweiten Zeitraumes sind wir wegen Mangel an Raum für diessmal nicht zu geben im Stande; um jedoch unsern Lesern eine festere Aussicht zu geben auf das, was sie im II. Zeitraum


  1. Wir haben desshalb bereits einzelne Stellen nach dieser Uebersetzung wiedergegeben.
Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/23&oldid=- (Version vom 15.9.2022)