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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

politische Intoleranz die Regierung bei dem Volke unbeliebt zu machen; wen, sagen Sie, trifft unter diesen Umständen die Schuld des Missvergnügens, die Regierten oder die Regierenden, uns oder Sie?“ — Das beweiset das Zunehmen jenes Missvergnügens. „Ja es war 1806 nicht so gross, als es sich seit 1815 zeigte; es hatte bis 1830 merklich zugenommen, und um wie viel tiefer gewurzelt haben Sie es verlassen, als Sie es vor zehn Jahren fanden. So haben also Sie die Aufgabe, unsere innige Verbindung mit dem preussischen Staate zu fördern, durch die von Ihnen angewandten Mittel gelöst, dass Sie am Ende Ihrer Laufbahn von Ihrem Ziele weiter entfernt sind als am Anfange. — Dass wir bei dem uns zugedachtem Untergange in allgemein menschlicher Hinsicht gewinnen sollen, ist vor Gott und Menschen eben so gewiss unwahr, als es ein schlagender Beweis Ihrer Verblendung ist. — Also Sie halten sich und Ihren Volksstamm in menschlicher Hinsicht für etwas Vorzüglicheres. — Sehen Sie, diese Verblendung ist die Quelle aller Ihrer politischen und moralischen Sünden gegen uns. — Die deutschen Einwohner der Provinz sollen deutsche Bildung und ein Leben in deutscher Weise als ihr gutes Recht in Anspruch nehmen; aber die zwei Drittheile, oder richtiger die drei Viertheile Polen, haben sie kein Recht auf nationale Bildung und ein Leben in ihrer Weise? — Und die den frühern Einwanderern gefolgt sind, Sie selbst nicht ausgenommen, hat sie unser oder ihr eigener Nutzen hergeführt? Sind Sie, Herr Oberpräsident, aus Liebe zu uns oder zu Ihrem Amte in diese „Verbannung“ gegangen? — Sie haben mithin die gesetzliche Verpflichtung, die Nationalität der Polen unangetastet zu lassen. — Wenn daher in Polen Deutsche sich polonisirten, so geschah es freilich ohne Eingriffe ungerechter Willkühr. Wenn Sie aber in dem mit Polen bevölkerten Lande durch Schulen, Behörden und Beamte, um jeden Preis die deutsche Sprache verbreiten; wenn Sie mit Staatsfonds polnische Gutsbesitzer auskaufen und Polen von der Acquisition solcher Güter ausschliessen, ja Polen und Katholiken nicht einmal zu partiellen Bauerngütern zulassen, so sind das Eingriffe dieser Art. — Haben Sie uns im eigenen Lande auch nur das gewährt, was in Ihrer Heimath fremde Flüchtlinge des siebzehnten Jahrhunderts noch bis auf den heutigen Tag haben?“ — Das Gesammtwohl des preussischen Staates soll dies fordern. — „Würden wir, wenn wir die heimathlichen Erinnerungen und Traditionen in Ehren gehalten sähen und in unserer Lage uns heimisch fühlten, das Provinzialinteresse mit dem Interesse der Monarchie, in deren mächtigem Schutze wir uns behaglich entwickeln durften, nicht sicherer identificiren, als in dem gegenwärtigen Helotenstande und bei der systematischen Nivellirung aller, auch der unschädlichsten Ueberreste der Vergangenheit. Ist es also recht, ist es weise, dass solchergestalt unser materielles und geistiges Wohlsein, dass der wahre Gewinn der Monarchie dem einzigen Wohle der Versorgung einiger höheren deutschen Beamten und ihrer Bequemlichkeit, sich von der Mühe der Erlernung der polnischen Sprache dispensiren zu lassen, geopfert wird? — Der Zuruf von 1815 hat den Posenern etwas ganz anderes verheissen; sie können ihn nicht anders verstehen, als sie es gegenwärtig thun. Hrn. Flottwell’s Aufgabe ist es gewesen, wie er es frei auszusprechen wagt, Garantien des Occupations-Patentes „eigenmächtig zu beseitigen und zu vernichten“— „Sie denunciren eine Verbrüderung der Missvergnügten unter einzelnen Häuptern. Thun Sie das im guten Glauben, so beweist das in vollem Maasse, wie wenig Sie durch ein Decennium den Geist der Einwohner kennen gelernt haben; aber viel wahrscheinlicher ist auch das nur eine absichtliche Entstellung dessen, was Sie um keinen Preis eingestehn mögen.“ — — In den Seminarien ist die Germanisirung der Hauptzweck; ihre Einrichtung macht sie jedem polnischen Jünglinge zuwider. „Ist es redlich, uns dem Könige gegenüber als Demokraten verdächtig zu machen, nachdem sie uns bei der öffentlichen Meinung in Deutschland durch anonyme Zeitungsartikel als Aristokraten haben in Misskredit bringen wollen?“ — „Sie stellen Kultur, Bildung, Intelligenz der polnischen Bevölkerung überall in Nachtheil gegen die deutsche. Dass

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/224&oldid=- (Version vom 16.12.2019)