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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

polnischen Revolution einen unmittelbaren Antheil genommen haben und sich theils durch einen irregeleiteten Patriotismus und theils durch Eitelkeit (also keiner aus Grundsatz ?) zu Koryphäen der polnischen Nationalität berufen halten.“ 3) „Die noch nicht angesessenen — Söhne der Gutsbesitzer, die Pächter oder Besitzer kleiner Güter, so wie die dem Banquerott nahen oder darein verfallenen Gutsbesitzer.“ Der Verf. nennt diese „sehr zahlreich“, „vagabondirend“, „in Kassinos sich herumtreibend“, „revolutionaire Schriften aus Frankreich lesend“, „rein demokratisch affektirend“, durch beispiellose Libertinität imponirend.“ — „Es leidet gar keinen Zweifel (Herr Flottwell ist der Oeffentlichkeit schuldig, die Beweise dafür zu liefern, sonst hat er eine ganze, ihrem Könige treu ergebene Nation vor demselben ungerecht angeklagt), dass unter ihnen eine Verbrüderung besteht, welche von einzelnen Häuptern geleitet wird und das Benehmen der besser (d. i. deutsch) gesinnten Polen förmlich überwacht, so dass jede Annäherung der letztern an die deutschen oder die höhern Beamten gleich bekannt und auf das schärfste gerügt wird. Von diesen Leitern gehen daher, jedoch unter einem andern Namen, die Beschwerden über die Regierung wegen angeblicher Beeinträchtigung ihrer Nationalität und alle gehässigen Oppositionen gegen dieselbe aus. — Es liegt ihnen am meisten daran, eine Unzufriedenheit und Opposition gegen die Regierung zu beleben und zu unterhalten. — Nur Krieg gegen die bestehende Ordnung und Umsturz aller Einrichtungen und Anstalten, wodurch diese Ordnung und ein gesetzlicher Zustand gesichert werden soll, ist ihre Loosung.“ — „Es ist einleuchtend, dass einem aus solchen Mitgliedern bestehenden Adel das innige Vertrauen nicht gewährt werden kann, auf welches er sonst Ansprüche zu machen hätte.“ Um ihm seinen Einfluss zu benehmen, wurden auf Betrieb des Oberpräsidenten 1836 Distrikts-Commissarien für die polizeiliche Verwaltung angestellt. „Diese Einrichtung hat zwar ihre unverkennbaren Schattenseiten, indem die damit verbundene Vermehrung des besoldeten Beamten-Personals die Selbstständigkeit und Selbstthätigkeit der Gemeinden und Ortsbehörden zu lähmen und statt eines lebendigen und kräftigen Gemeindelebens den Beamten-Despotismus zu befördern droht. Doch hat sich dieselbe bisher noch als zweckmässig bewährt (freilich! der Beamten-Despotismus vernichtet ja das polnische Gemeindeleben und bringt doch die deutschen Beamten zur Macht.) — Die Wahl der Landräthe steht jetzt den Regierungen zu; diese Maassregel soll noch fortdauern, denn die Kreisstände würden nur die früher unter Nr. 3 rubricirten Individuen wählen. — Höchst wichtig ist folgende Stelle: „Um die Zahl der intelligenten und zugleich in ihrer politischen Gesinnung zuverlässigen Rittergutsbesitzer in dieser Provinz zu vermehren, haben des Höchstseeligen Königs Majestät durch die Allerhöchste Cabinetsordre vom 13. März zu befehlen geruht, dass von den zur Subhastation gelangenden grösseren Besitzungen die zur Wiederveräusserung sich vorzugsweise eignenden für Rechnung des Staats angekauft und — an wohlhabende intelligente und wohlgesinnte Erwerber deutscher Abkunft wieder veräussert werden sollen. Diese, in jeder Beziehung zweckmässige (aber weder gerechte noch humane) Maassregel ist auch bisher in Ausübung gebracht; es sind dadurch der Provinz etwa 30 Rittergutsbesitzer deutscher Abkunft gewonnen worden“ und zwei Herrschaften stehen noch zur Veräusserung offen. Der Fortsetzung dieser Operation steht von keiner Seite ein Hinderniss entgegen. Hierauf werden die Bemühungen zur Gründung eines tüchtigen (natürlich: deutschen) Bürgerstandes und zur Wiedererweckung der Tuchmanufaktur dargestellt. „In den meisten Landschulen wird die polnische als Hauptunterrichtssprache, die deutsche aber nur als Gegenstand benutzt und getrieben, so dass von einer Unterdrückung oder auch nur Beeinträchtigung (?) des polnischen Idioms (!also keine Sprache?) nirgends und am wenigsten in denjenigen Gegenden, wo dasselbe unterdem Volke vorherrscht, die Rede ist.“ Ueber das Kirchenwesen lässt sich Hr. Flottwell dahin vernehmen, dass die evangelische Kirche immer noch sehr geringe Fortschritte macht. Als Hauptgegenstand seiner amtlichen Thätigkeit bezeichnet der ehemalige Oberpräsident die Vermehrung und die Erleichterung des

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/222&oldid=- (Version vom 14.12.2019)