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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

 Gouv. Kiew 1,350,000
 - Czernigow 1,300,000
 - Poltawa 2,085,000
 - Ukraine u. Charkow 1,350,000
 - Woroneg 1,300,000
 - Don 600,000
 - Podolien 1,400,000
 - Wolynien 1,300,000
 - Jekaterinoslaw 537,000

11,222,000
 Gouv. Bialystok 250,000
 - Grodno 800,000
 - Wilno 1,300,000
 - Minsk 1,100,000
 - Mohilew 1,100,000
 - Witepsk 700,000
 - Smolensk 1,200,000
 - Cherson 400,000

6,750,000
11,222.000
somit beläuft sich die Bevölkerung der südlichen und westlichen Gouvernements auf . . . 17,972,000

dass also die Bevölkerung dieser jene übersteigt. Zwar sind in diesen hin und her auch die Grossrussen zerstreuet, aber auch in jenen giebt es sehr viele Kleinrussen, und besonders die Gouvernements Orel und Kursk sind in der grösseren Hälfte von den Kleinrussen bewohnt.

Abgesehen, dass die südlichen und westlichen Gouvernements von einer beträchtlichen Anzahl Polen bevölkert sind, wird es noch bewiesen werden, dass auch die Klein- und Weissrussen (Russinen) allzusehr von den Grossrussen abweichen, als dass sie mit diesen in einen Stamm verschmelzen und noch hierbei zur Entnationalisirung der anderen hilfreiche Hand bieten sollten; ja bei dieser Gelegenheit wollen wir auch einen andern Gegenstand berühren, welchen mehrere slawische Gelehrte beinahe als entschieden ansehen.

 Als in letzter Zeit die czechischen und illyrischen Gelehrten von der Idee, ein einziges Slawenreich zu bilden (welche sich als unpraktisch erwiesen), abgekommen sind, theilten sie das ganze Slawenland nach 4 Dialekten, von welchen wahrscheinlich ein jeder für sich meistens einen besonderen Staat zu bilden bestimmt ist; in dieser Eintheilung fiel auf Klein- und Weissrussland das Loos, dass es einen Bestandtheil des grossrussischen Reiches bilden solle. Wie unvorsichtig und mit wenig Kenntniss der Sache man hierbei verfahren, soll nachstehend bewiesen werden.

 Nach dem Tode Jaroslaws des Grossen (1054) wurde sein Reich, welches sich vom baltischen bis zum schwarzen Meere erstreckte, unter seine Söhne getheilt, mit dem Vorbehalt, dass der Fürst von Kiew die Oberherrschaft über ganz Russien[1] behalten sollte; aber durch diese Theilung wurde das ganze Reich auf immer zersplittert. Die Fürsten von Kiew, Luck, Wladimir, Halicz, Przemysl, Zwinogrod, Raesan, Nowgorod, Pskow und Moskwa führten mit einander fortwährende Kriege, einer entriss dem andern sein Land, und obgleich es Daniel, Fürsten von Halicz, gelungen war, auf einige Zeit die südlichen Provinzen zu vereinigen, und ihm die königl. Krone von ganz Russien durch einen römischen Legaten aufgesetzt war, so war es doch von keiner langen Dauer. — Russien, wohin das Christenthum aus Constantinopel verpflanzt wurde, erhielt von dorther seine Civilisation, und die Politik des oströmischen Reiches, obgleich dieses seinem Unfalle nahe, hatte in sich den Keim der Zersetzung, welcher auch Russien mitgetheilt wurde.

 Polen, welches in dieser Zeit allein von allen Slawenstämmen die Idee einer Organisation und der Centralisation besessen, hatte sich einen grossen Einfluss in Russien erworben. Schon war es Boleslaw dem Grossen (1015) und Boleslaw


  1. Den Namen Russien werden wir hier als den eigenthümlichen gebrauchen, denn in der ursprünglich slawischen Sprache hiess das Land Rus, die Einwohner Rossini (Russinen), und nur in der neurussischen (grossrussischen) Sprache heisst es Rossija (Russland), die Einwohner Russijani (Russen), welche Benennung nur für die Grossrussen eigenthümlich sein soll.
Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/204&oldid=- (Version vom 26.11.2019)