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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

der die nationalen Vorurtheile nicht in dem Masse, wie die privilegirten Stände theilte, und dem die Bestrebungen Kaiser Josephs, da sie auf das Wohl des ganzen Landes berechnet waren, nie in so gehässigem Lichte erschienen, wie der privilegirten Adelskaste, und in dessen Augen die Kritik der ungarischen Verfassung, wie sie die Josephinische Periode lieferte, noch immer in mehr als einer Beziehung auch noch heute ihre Gültigkeit hat, begrüsste das Erwachen der Nation mit Freuden, ohne jedoch ausschweifende Hoffnungen auf eine baldige günstige Zukunft zu hegen. Wesentlich hat zu dieser grösseren Ruhe des deutschen Bürgers auch beigetragen, dass er, der magyarischen Sprache selten in hinlänglichem Grade kundig, von den patriotisch-exaltirten Declamationen keine Notiz nehmen konnte, was ihn zwang, sein Augenmerk auf Thatsachen vorzugsweise zu richten, die nun freilich mit den ersteren nicht gleichen Schritt hielten. Hiezu kommt noch, dass der Bürgerstand, bestimmten Berufsarten nachgehend, nicht in der Lage ist, von früh bis spät mit politischen Discussionen sich zu beschäftigen, sondern lieber seine Theilnahme und seine Thätigkeit den ihn zunächst angehenden Communal-Angelegenheiten widmet, und diess um so mehr, als sein Einfluss auf die allgemeinen vaterländischen Angelegenheiten gesetzlich so gut wie Null ist.

 Dass er dabei gänzlich die allgemeinen vaterländischen Angelegenheiten aus dem Auge verliere, ist nicht zu besorgen; denn zu vielfältig ist sein persönliches und sein Standesinteresse von der Verfassung abhängig; hat er doch das Meiste erst von der Zukunft für sein einstmaliges Gedeihen zu erwarten und ohne Hoffnung mag doch Niemand leben. Geradezu widersprechen müssen wir aber Hrn. Hansplmann, wenn er die städtische Municipalverfassung unbedingt gegen die der Comitate herabsetzt (S. 14 ff.); denn unläugbar ist in den Städten die innere Administration bei weitem geordneter, die Waisenämter, Grundbücher, die polizeiliche Branche unvergleichlich besser. Auch liegt in der unter den Einfluss des Magistrats gestellten Selbstergänzung der Wahlbürger kein so grosser Mangel der städtischen Verfassung, als man gewöhnlich annimmt, weil diese so gewählten Repräsentanten nicht aufhören der Bürgerschaft anzugehören; vielmehr nach wie vor die Identität der Interessen sie verbindet, und sie weit entfernt sind, eine besondre Kaste zu bilden. Hiermit wollen wir keineswegs sagen, dass es nicht zweckmässig wäre, dass die Wahlbürgerschaft von der ganzen Bürgerschaft gewählt werde; nur können wir nicht zu der Ueberzeugung kommen, dass hierdurch ein wesentlich anderes und vorzüglicheres Resultat positiv erzielt würde. Grösser ist der Uebelstand, dass die Wahlbürgerschaft mit dem Magistrate eine moralische Körperschaft ausmacht. Die städtischen Magistrate sollen, sammt der Wahlbürgerschaft (oder dem äussern Rathe) die Vertreter der Rechte der Bürgerschaft sein. Diese Aufgabe wird für sie um so schwieriger, je mehr die Regierung sie als executive Staatsbeamte allein zu betrachten gewöhnt ist, und je strenger sie von derselben in bureaukratischer Abhängigkeit gehalten werden. Bei dem Umstande, dass ihre Aemter lebenslänglich sind, stehen auch der Wahlbürgerschaft keine Mittel zu Gebote, sie zu eifriger Vertretung ihrer Rechte zu nöthigen, die nur allzuoft bureaukratischen Tendenzen weichen müssen und schon in erster Instanz umgangen und eludirt werden. Es haben daher von vielen Seiten die Städte für periodische Wahl und auf eine bestimmte Anzahl von Jahren beschränkte Amtsdauer der Magistrate sich ausgesprochen. Soll aber nicht, indem man ein Gebrechen zu heben wünscht, ein neues an die Stelle des alten treten, so ist auch hier die Frage reiflicher zu prüfen, als man gewöhnlich hört und liest. Sollen die städtischen Communen gedeihen, so ist das Princip der Ordnung eben so zu beachten, als das der Freiheit; nur diese in glücklichem Verein können das Aufblühen der Städte sichern. Erhält durch die Wahl der Magistrate auf eine bestimmte Frist die Freiheit eine Garantie mehr, so lässt sich nicht verkennen, dass das Princip der Ordnung dadurch wenigstens nichts gewinne, vielmehr in Gefahr ist, zu verlieren. Es dürfte desshalb schon der eigentliche Richterstand bei den Magistraten von dem periodischen Wechsel

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/184&oldid=- (Version vom 3.11.2018)