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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

und ihr durch literarische Produkte Aufschwung geben. Sehr wohl, die Falle ist hübsch! Die Zeit, die wir auf die Erlernung der lateinischen Sprache verwendeten, verwenden wir nun auf die magyarische, damit ist’s abgethan; wir bleiben nebstbei Slawen, wie wir es bisher in der lateinischen Sprache verblieben. Wahr ist's, wir sprachen und sprechen Latein, aber wir haben keine Lateiner; sprechen wir aber magyarisch, so wird’s an Magyaren nicht fehlen. Wohl aufgemerkt! – Unsere Magyaromanen sagen, es sei durchaus nicht zu befürchten, dass der Magyarismus unserer Nationalität schaden könne, indem er als ein exotisches Element nie in das Leben der europäischen Völker übergehen könne. Man glaube das nicht; der Magyarismus wird ein Brotstudium werden, der Magyarismus wird sich eben darum, weil er auf schwachen Füssen steht, mit aller Kraft zu befestigen suchen, und die schwachen, selbstsüchtigen, nach Aemtern und Würden strebenden Menschen werden ihn, als den einzigen Weg ihres Emporkommens, mit der grössten Bereitwilligkeit ergreifen. Die Erlernung der magyarischen Sprache fordert natürlich, dass man viel lerne, lese, und fast die ganze magyarische Literatur kenne; denn sie verwandelt sich alle Tage so zu sagen unter den Händen, und weder Lexikon noch Grammatik ist mehr brauchbar, wenn es ein Jahr alt geworden; dazu aber verbraucht man viel Zeit, eine grosse Zeit, die rein dem Magyarismus geopfert ist. Nebenbei wird sich bei der Mehrzahl der Dienenden eine Vorliebe für die magyarische Literatur entwickeln und mit ihr sich das magyarische Leben täglich mehr einschleichen, die Nationalsprache aber und ihre Literatur wird untergehen, denn sie wird aller Protection bei den höheren Ständen und ersten Würdenträgern des Landes beraubt. „Die magyarische Sprache nährt mich“, wird jeder sagen, „was brauch' ich euer illyrisches Kauderwälsch!“ Freilich ist der Magyarismus zu schwach, um den Slawismus zu unterdrücken; eine Opposition wird immer im Lande bleiben und früher oder später muss der Slawismus seinen Triumph feiern; aber werden wir das vor der Geschichte verantworten können, dass wir die heilige Flamme, die nun am Heerde des Vaterlandes brennt, so leicht auslöschen liessen? Gerade jetzt, wo wir so schöne Fortschritte machten? Können wir uns morden lassen; dürfen wir denn zusehen, und uns nicht vertheidigen? Haben wir nicht das Recht gehabt, uns zu retten? Wenn wir es nicht hatten, so beugen wir uns; hatten wir es, so haben wir es jetzt auch, und wir müssen es bis in den Tod behaupten! Kein Eisen bezwingt die Blitze des hellen Geistes.

 Oesterreich soll nicht den Blick von seinen zahlreichen, treuen slawischen Völkern abwenden, es soll sie vielmehr unterstützen. Sowohl die nördlichen Slawen Oesterreichs, als auch insbesondere die südlichen mit ihren an sie angrenzenden nichtösterreichischen Slawen, bilden, und können noch mehr durch eine zweckmässige Behandlung eine Vormauer gegen die allgemein gefürchtete Macht bilden. Die südlichen Slawen sind ein an die Freiheit gewöhntes Volk; Kroatien, Slawonien und grossen Theils auch Dalmatien haben eine Constitution; die Cernagorcen und Herzegovinen sind kühne Helden, Männer, die keine Ketten tragen wollen; die Serbier warfen ihr Joch ab, und die Bosnier wollen dasselbe; sie haben Muth und den kräftigen Willen dazu, aber an Mitteln fehlt es. Die einzigen Steyerer, Krainer und Gorutancer, so wie die übrigen, in den südlichen Erbländern Oesterreichs wohnenden Slawen haben keinen oder dürfen keinen Geschmack an constitutioneller Freiheit finden. Aber auch dieses macht sie die väterliche Regierung so ziemlich vergessen. Diese Völker finden genug Stolz in sich selbst und in ihrer historischen Vergangenheit, als dass sie sich in einen nordischen Slawismus auflösen lassen wollten. – Freilich wird der Magyarismus durch derlei Combinationen deprimirt, aber dem wird nicht abzuhelfen sein. Der Magyarismus wird nie eine grössere Rolle spielen, als er jetzt spielt; gerade wie er sich unmässig aufbläht, so wird er, wenn er nicht platzt, sich zurückziehen müssen. Er kann blühen, er kann Früchte tragen, aber immer als ein secundäres,

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/178&oldid=- (Version vom 3.11.2018)