Seite:Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft 1 (1843).pdf/176

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

 II. Die lateinische Sprache ist als eine todte Sprache, die ihre Laufbahn vollendet hat, keiner Nation gefährlich; ihr Leben ist nur in der politischen Welt bemerkbar, und dort ist es auch nur durch das nationelle Leben der einzelnen Völker bedingt.

 III. Als solche greift sie nie in das Privatleben anderer Völker ein; sie bleibt abgemarkt, eingeklemmt in die Grenzen, die ihr vor so vielen Jahrhunderten das fallende Rom setzte, wo im Gegentheil jede lebende Sprache von ihren Söhnen herumgetragen auf Verbreitung Ansprüche macht. –

 Der beste Beweis für die Zweckmässigkeit der lateinischen Sprache ist die Erfahrung. Die Vergangenheit lehrt uns, dass Ungarn mächtig und gross war, doch niemals durch den Magyarismus oder Slawismus; es war stark durch einen gewissen constitutionellen Patriotismus, der nicht frug, bist du Magyare, bist du Slawe, Deutscher oder Wallache? Ich kämpfe für's Vaterland, in dem ich meine Freiheiten habe, gleichviel ob meine Waffe sablja, Schwert, oder kard heisse; ich schwinge sie, denn Freiheit im Tode ist mir lieber, als Knechtschaft im Leben!

 Die üblen Folgen des Magyarismus werden uns allen täglich fühlbarer; es ist kaum zu glauben, dass die Unruhen zur Zeit des Bethlenischen oder Rákoczyschen Aufstandes ärger waren, als die Feindseligkeiten, denen wir heut zu Tage im sogenannten Frieden ausgesetzt sind. Der Magyarismus ist und bleibt in Europa eine fremdartige Pflanze. Ungarn ist ein Land, welches in Europa politisch todt ist, es wird nur durch Oesterreich repräsentirt; in nationeller Hinsicht findet es nirgends Sympathie durch den Magyarismus, denn dieser findet ausserhalb den Grenzen der magyarischen Comitate nirgends eine verwandte Seele. Ungarn kann also nach Aussen durch den Magyarismus keine Fortschritte machen; nach Innen ebenfalls nicht, denn in Folge der magyarischen Action erheben sich vielfältige Reactionen, die uns sattsam zeigen, in welche Zerrüttungen das Land durch den Magyarismus gerathen ist. Durch ein gewisses Zerstörungsprincip, welches mit dem Magyarismus gleichmässig vorschreitet, haben sich in alle Administrationszweige Illegalitäten eingeschlichen, die alle die Magyarisirung der übrigen in Ungarn wohnenden Völker und die Begründung aller liberalen Ideen (wenn auch nicht jetzt für Ungarn passenden) bezwecken. Magyarismus und Freiheit ist synonym; ja die grösste Sklaverei, wenn sie nur vom Magyarismus herkömmt, ist Freiheit! Das Objectum judiciarium, literarium, commerciale schläft, und während man an dem unpraktischen urbarium flickt, durch die gemischten Ehen alles noch besser vermischt, betreibt man die Lieblingsidee der Magyarisirung mit dem grössten Enthusiasmus, will die Grenze auflösen und dem nordischen Koloss Schranken setzen! Jedes Comitat ist für sich ein kleiner Staat, der regieren will, jeder hat seine Grundsätze. Die einen wollen dem Clerus alles nehmen, die andern die Aristokratie stürzen, die dritten den überhandnehmenden Liberalismus unterdrücken, einige beabsichtigen, den Protestantismus zur Herrschaft zu bringen, viele den status quo zu erhalten; alles, alles, was aufgereizte Leidenschaften hervorbringen können, alles ist da zu finden!

 Nichts ist höher als der Magyarismus! Sehr häufig lesen wir in Zeitungen, dass ungarische Comitate lateinische Correspondenzen nach Kroatien und Slawonien uneröffnet zurücksenden. Was liegt daran, ob so mancher arme Privatmann darob zu Grunde geht. Das allgemeine Wohl ist ja dem privaten vorzuziehen! – Wenn aber Turopoljas edler Landgraf, der gepriesene Repräsentant der magyarischen Idee in Kroatien, den grössten Unsinn auf die unloyalste Weise den ungarischen Comitaten magyarisch mittheilt, da stimmen Alle von Wahnwitz hingerissen in seine magyarische Zuschrift ein, und er wird zum Assessor Regni Hungariae ernannt. O wie lächerlich, wie kindisch! Gewiss bald wird die Zeit kommen, wo die Magyaren sehen werden, was der berühmte Landgraf zu leisten vermag. ... Derlei und solche Handlungen, welche für Jurisdictionen sehr compromittirend sind, bringt der Magyarismus hervor. Was ist nun in den Congregationen zu sprechen? Magyarisch kann ja ein jeder Magyare, vom Zeitgeiste

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/176&oldid=- (Version vom 3.11.2018)