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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

nennen; angeblich, damit die Partheiungen aufhören, welche durch diesen Namen entstanden sind.

 In Laibach (Krain) soll eine Zeitschrift in krainischer Sprache herauskommen; der Hauptinhalt aber Oekonomisches und Hauswirthschaftliches besprechen.

 Herr Joseph Chladek hat in Prag eine Singschule gegründet (es bestehen schon mehrere solche, deutsch), wo auch böhmisch singen gelehrt wird.

 Unter dem Titel: „Slawische Balalajka“, hat der, der deutschen Literatur auch besonders durch seine trefflichen Uebersetzungen aus dem Slawischen wohlbekannte, W. v. Waldbrühl, eine Sammlung von grossrussischen, ukrainischen und polnischen Volksliedern herausgegeben, die so eben bei Hirschfeld in Leipzig erschienen ist. Das Buch enthält auf XII u. 524 Seiten in gr. 8. unbedingt die reichhaltigste Sammlung von den gelungensten Uebersetzungen der Volkslieder der beiden slawischen Hauptstämme. Die Uebersetzung ist so fliessend, so gut deutsch und dennoch häufig so wortgetreu, dass man über die Gewandheit des Uebersetzers staunen müsste, wenn man sie nicht von früher her schon kennte. Ueber den Inhalt, die gelungene Auswahl, kommen wir im folgenden Hefte zu sprechen.




 Anmerk. Bei dem ungemeinen Interesse, das gegenwärtig die polnische Nationalität in Schlesien bei den Deutschen sowohl als bei den Slawen findet, ist jede Nachricht wichtig, welche den Gegenstand nur in Etwas sicher und klar darzustellen vermag. Wir theilen daher auch folgendes Bruchstück einer Correspondenz im Tygodnik lit. mit, da der Verfasser derselben, sonst als redlicher und tüchtiger Mann hinlänglich bekannt, aus eigener Anschauung spricht.
Breslau, November 1842.

 Die Beschuldigungen, welche einige Male in der Leipziger allgem. Zeitung gegen unseren, seit lange von Polen abgefallenen Landestheil vorgebracht wurden, die Artikel, welche dem Volke von Oberschlesien alle Zeichen der polnischen Eigenthümlichkeit absprachen, welche behaupteten, dass dieses Volk bereits dermassen vom deutschen Elemente durchdrungen sei, dass es lächerlich wäre, irgend eine Rücksicht auf die Muttersprache desselben zu beanspruchen: hatten in mir die Lust erregt, die Verhältnisse näher kennen zu lernen. Ich nahm mir also vor, jene Gegend zu besuchen und sie in die Lange und Breite zu durchwandern, um mich durch eigene Anschauung von der Wahrheit zu überzeugen. Da indess die hierzu nöthigen Mittel nicht ausreichten, so musste ich mich nur auf einen kleinen Flächenraum beschränken. Damit es jedoch nicht den Schein gewinne, als wolle ich, nachdem ich einen Theil kennen gelernt, über das Ganze sprechen, so bezeichne ich zuerst das Bereich meines Ausflugs. Von Oppeln aus ging ich auf der Strasse nach Strelitz, Dost, Peiskretscham, Gleiwitz, Königshütte, Beuthen, Tarnowitz, Lublinitz, Gutentag, Malapane und wieder durch Oppeln nach Brieg. Mehrere Male verliess ich hier die Landstrasse, besuchte die Dörfer innerhalb dieses Umkreises und war nicht wenig erfreut, da ich einen ganz andern Stand der Dinge antraf, als man bisher gewöhnlich meinte. Die Aussprache des Volkes in den Dörfern ist ausdrucksvoll, aber etwas verbauert, ganz wie im Posenschen; stellenweise jedoch spricht man den Vokal a weit reiner, und das nasale ę wie das französische en aus. Die weichen Consonanten cz, rz, sz verwandelt man in harte und zwar um so merklicher, je mehr man zur krakauer Grenze kommt (wo sie bekanntlich auch hart ausgesprochen werden). Die Sprache ist überhaupt, so viel sich das aus dem Munde des Volkes erforschen lässt, hinreichend fliessend und wohltönend; Germanismen sind noch so selten, dass man sich in der That wundern muss, wie die Bemühungen um Einführung der deutschen Sprache so ganz in Nichts verschwinden konnten. Die Art der Anrede an Fremde in der 3ten Pers. Pl., welche auch in Böhmen und Illyrien, zweifelsohne seit der Einnahme dieser Länder durch die Oestreicher, verbreitet ist, und das antwortende „Ja!“ anstatt „tak“ sind die zwei gewöhnlichsten Germanismen. Beim Zählen setzen die Oberschlesier oft die kleinere Zahl voraus; allein sie kennen auch die gewöhnliche Weise, so dass ich von einem und demselben Menschen in einem und demselben Satze Folgendes hörte: „miałem tedy lat ośm dwadzieścia (acht und zwanzig), teraz już mam trzydzieści pięć (dreissig fünf).“ Die Ausdrücke: „pięknie dziękuję“, — augenscheinlich das deutsche „schön Dank“ — werden oft wiederholt; dafür aber findet man einzelner Ausdrücke, die unmittelbar aus dem Deutschen übernommen wären, im Flusse der Rede des Landmannes über alle Erwartung wenig. Einige sind aus dem Böhmischen angenommen, z. B. sładek statt piwowar, dycki statt zawsze; neben ihnen haben sich viele altpolnische Redeweisen erhalten, wie siła in der Bedeutung wiele, świecznik (Leuchter), wiadro statt węborek, ćma (Rauchwolke). — Das Geld zählen sie nur nach piętaki (Gröschel) oder drei Pfennige, und zwar gibt es bei ihnen böhmische, rheinische und harte Gröschel. Der augenscheinlichste Beweis indess, wie wenig und wie langsam sich das Deutsche hier verbreite, besteht darin, dass das Volk in den Dörfern grösstentheils nicht einmal weiss, wie selbst die nächsten Städtchen deutsch heissen, so dass man nur mit Mühe den Weg erfragen kann, wenn man ihre polnische Benennung nicht weiss. In den Städten ist die Sprache schon mehr gemischt; die niedere Classe spricht mit Ausnahme fremder Einzügler ausschliesslich polnisch und versteht kaum

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/166&oldid=- (Version vom 8.11.2019)