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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

dass das Ganze mehr einer Masse nach einander sich ergebender Scenen gleicht, die nur durch Zufall Zusammenhängen, als einem Gesammtbilde des Zustandes der menschlichen Gesellschaft jener Zeit, oder einer wohldurchdachten, innig in einander verwebten Erzählung. Fast ganz für sich bestehend sind die ersten sechs Kapitel über die französische und italienische Kunst im XVII. Jahrhundert, welche, an sich interessant genug, mit dem Roman fast keine Verbindung haben. Uebrigens hat der Roman Alfred de Vigny’s: „Saint-Mars“ einen besondern Einfluss auf den russischen Autor gehabt; obgleich eine Vergleichung beider nicht zum Vortheil des Letzteren ausfallen möchte.

27. Человѣкъ съ высшимъ взглядомъ: Der Mann mit scharfem Blick. Roman in 4 Thl. 259, 197, 162 und 188 S. 12. Von E. G. Ptrbg. Aus einem jungen, faden, verschrobenen Styl, matt und platt.

28. Два Призрака: Zwei Erscheinungen. Roman von Th. Van-Dim. Ptrbg. 1842. 4 Thl. 252, 208, 226 und 258 S. in 12. Ein neuer Romanschreiber, der bisher nur durch eine Erzählung „Aleksandrina“ bekannt ist. Schon diese fand bei ihrer Erscheinung eine verschiedene Beurtheilung; während sie von den einen bis in den Himmel erhoben wurde, traten sie andere in den Koth. Dasselbe geschieht mit vorliegendem Romane; man lobt ihn, man tadelt ihn, und das Publikum weiss nicht, wem es glauben soll. Eines steht fest, Van-Dim ist ein Mann von Geist und ruhiger, gesunder Anschauung der Verhältnisse; allein er ist kein Dichter und die Schöpfungskraft bei ihm von keinem durchgefühlten Geschmacke geleitet. Daher das viele Ungereimte, Abgeschmackte, das Unglaubliche in seinen Schriften. Dazu kommt noch sein schrecklicher Styl, in der Manier Marlinski’s, allein ohne dessen Geist und unabsehbare Tiefe.

29. Мать и Дочь: Mutter und Tochter. Roman in zwei Theilen. Von Mich. Czernjaivski. Moskwa. 1842, Kirilow. 12. 167 und 167 S. Ein neuer Schriftsteller, von dessen „Werk“ nicht viel Grosses behauptet wird.

30. Солнечный Лучь: Der Sonnenstrahl. Ein Begebniss aus den Zeiten Katharina’s II. Roman in 5 Thln. von J. Stchewen. Ptrbg. 1841—42. 12. 270, 260, 288, 238 u. 242 S. Eine sehr schwache Arbeit, die kein Aufsehen machen wird.

31. Жижнь и Поэзія Вильяма Шекспира: Leben und Dichtungen William Shakesреar’s. Roman von König; aus dem Deutschen übersetzt. Moskwa. 1842, Stepanw. 4 Thl. 12. Das Original fand in Deutschland eine beifällige Aufnahme; so wird die Uebersetzung und muss in Russland mit vieler Freude willkommen geheissen worden; wozu nicht wenig der Umstand beiträgt, dass die Uebersetzung selbst sehr flüssig und gewandt und in einem leichten correkten Style geschrieben ist; dass sie also unter den vielen jetzt eben erschienen russischen Romanen ganz vortheilhaft sich auszeichnet.

c) Periodische Schriften.

8. Комары. Всякая Всячина. Mücken. Buntes Allerlei. Von Th. Bulgarin. Erster Schwarm 1842. Petersb. 259 S. 12. Ein den Guèpes nachgemachtes Unternehmen, bei dem aber Herr Bulgarin seine Rechnung schwerlich finden dürfte. Herr Bulgarin ist ein Mann von Geist, das hat er durch seine früheren Schriften gezeigt; er kann gut erzählen und seine Romane und Novellen wurden ehedem viel gelesen. Nun aber gibt es bessere Novellisten und er bleibt liegen. Bulgarin ist ein tüchtiger Journalist und als Redacteur hatte er früher nicht seines Gleichen; diess ist sein eigentliches Feld, das er nie ungestraft verlässt. Schrecklich aber und in der That langweilig ist sein Humor. Das zeigt sich besonders in den Mücken, wo hellere Gedanken und Witze so selten vorkommen, wie das Wetterleuchten im Winter. Dazu kommt die unerträgliche Bissigkeit gegen seine Feinde, die er auf jeder Seite mit der schärfsten Galle überschüttet, und das widerwärtige Hervordrängen seiner eigenen Persönlichkeit, von welcher er desto eifriger spricht, je weniger die andern Menschen von ihr sprechen. Persönlichkeiten und nicht selten an Gemeinheit streifende Ausfälle sind etwas ganz Gewöhnliches. Die „Mücken“ werden Herrn Bulgarin’s Ansehn wohl noch zu Tode tragen.

(Nach den отеч. записки.)

II. Polnische Literatur.
а) Wissenschaften.

11. Chowanna: Ein System der Nationalerziehung von Br. Trentowski. 2 Bde, jeder zwei dicke Hefte. Posen 1842, Kamienski.

12. Fizyka: Physik von Jos. Zochowski. Warschau 1842. 2 Thle. Herausgeg. von Sapalski. Ein sehr werthvolles Buch.

13. Starožytności polskie: Polnische Alterthümer in alphabetischer Ordnung. Redigirt von Moraczewski. Posen 1843. Dritter Band. Neben vielen trefflichen Artikeln manches Flüchtige und Oberflächliche.

14. Polska: Polen. Enthält die Geographie und Geschichte des alten Polenreiches vom Beginne der Entwickelung des Volkes bis auf die neueste Zeit. Von J. Andrysowicz. Posen 1842. Eine kurze, aber gute Uebersicht.

15. * Historia literatury polskiéj: Geschichte der polnischen Literatur von Mich. Wiszniewsky (Wischniewski) 4. Bd. 8. 482 S. Krakau 1842. Geschichte der dritten Periode oder des XV. Jahrhunderts.

16. Studia literackie: Literarische Studien von Kraschewski. Wilno 1842. Verschiedene Abhandlungen rein literarischen Inhaltes.

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/155&oldid=- (Version vom 28.10.2019)