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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Herzen bereitwilligen Eingang. Picek ist einer der besten Liederdichter Böhmens. Das ist sein Hauptfach; schwächer schon sind seine ernsten Gedichte; wie die vorliegende Sammlung, die aus zwei Theilen, 15 Gedichten und 39 Liedern, besteht, deutlich an den Tag legt. Picek hat sich auch im Drama versucht; Wilém Rożmberk und Swatopluk erschienen bald nach einander auf der Bühne; keines aber vermochte sich länger daselbst zu erhalten. Es fehlte denselben das Dramatische, Handlung und Leben. Es gab einzelne Stellen, voll Kraft und ergreifender Energie; aber die Kraft war keine dramatische, sondern nur lyrisch, die Energie sprach sich, zwar in Worten aus, aber sie blieben hohle Frasen, da man die That nicht sah. Solche poetische Unwahrheit kann nun wohl auf den ersten Anblick erfreuen, entzücken; aber ein zweites Mal gehört, lässt sie den Menschen kalt, weil er ihre Grundlosigkeit vorausfühlt. Daher wurden denn auch die Dramen Piceks bei der ersten Aufführnng immer mit Beifallssturm aufgenommen, während sie bei der Wiederholung jedes Mal ganz ruhig über die Bretter gingen. Picek ist durch und durch Lyriker und muss das bleiben, wenn er seine Nation, wenn er sich selbst liebt. Nicht die Art der Dichtung gibt den Werth dem Künstler, sondern die Gelungenheit, die Vortrefflichkeit, das Meisterhafte in eben seiner Art. Ein ausgezeichneter Liederdichter steht nicht unter einem vortrefflichen Dramatiker, und Picek scheint berufen, der Liederdichter Böhmens für die Gegenwart zu werden.

(Eingesendet.)

 „Rok 1843.“ Das Jahr 1843 in wissenschaftlicher, industrieller und publicistischer Hinsicht. 1. Band. Posen, Kamienski u. Comp. XI u. 147 S.

 Bei den mannichfaltigen Schwierigkeiten, welche der Gründung einer neuen Zeitschrift in Posen entgegengestellt werden, hat man sich gezwungen gesehen, eine Reihe von Artikeln, welche sonst in ein Journal abgedruckt worden wären, in eigenen Heften nach einander zu veröffentlichen. Unter dem obigen Titel sollen in mehreren Lieferungen, zusammen 60 Bogen stark, eine Reihe solcher Abhandlungen aus der Feder der besten „in- und ausländischen“ Schriftsteller gesammelt werden. Der Preis für alle 60 Bogen ist auf 6 Thlr. angeschlagen. Der erste, uns vorliegende Band enthält eine Vorrede der Redaction, welche kraftvoll und nach der Wahrheit den jetzigen Zustand Polens in wissenschaftlicher und industrieller Hinsicht schildert. „Alle (Zeit-) Schriften und Werke, die bei uns seit einem Vierttheil Jahrhundert erschienen sind, heisst es darin unter andern, haben entweder einen poetischen oder einen historischen Werth; erst in den letzten Stunden kaum dringen aus dem Nebel der deutschen Philosophie einzelne philosophische Begriffe zu uns hindurch und werfen die Strahlen der Wahrheit auf unsere heimischen Auen. Alle übrigen grossen Fragen der Zeit liegen brach, wie eine weite Steppe, in welcher, wie bei den wilden Söhnen der Ukraine, nur die Grabhügel der National-Niederlagen die einzigen Wegweiser sind, und gleichermassen auch immer bleiben werden, wenn wir uns nicht auch auf diesem Felde orientiren und dort uns unsere Hütten bauen.“ Daher sei es nun Zeit, einen Schritt vorwärts zu thun. „Ohne politische Ausbildung, ohne Interesse und Theilnahme an den Lebensfragen der Zeit, würden wir eine Null vor dem Einer stehen, welcher die lebendige, zeugungsvolle, fortschreitende Gegenwart ist.“ Ohne daher das Alterthum zu missachten oder die Männer, welche der Erforschung desselben ihr Leben weihen, entfaltet sich darum eine andere Fahne vor unseren Blicken mit dem Losungsworte: „Vorwärts, nationaler Gedanke!“ — Von dieser Idee geleitet, entschlossen sich die Herausgeber des „Jahres 1843“, ein Collectiv-Werk zusammenzubringen, „das nun ein Reichstagssummarium sein möge, worin das Volk durch seine gelehrten und der Sache kundigen Repräsentanten seine Stimme abgebe, die grosse Frage allseitig beleuchte und zuletzt nach Massgabe der Ueberstimmung und der vernünftigen Ueberzeugung als Gesetz decretire.“ — Der I. Band enthält nun 5 verschiedene Artikel. I) „Das Verhältniss der Philosophie zur Theologie von dem auch in der deutschen philosophischen Literatur wohlbekannten Bron. Trentowski. S. 1—94.“ In einer etwas allzu poetischen

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/149&oldid=- (Version vom 22.10.2019)