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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Präsens in drei zusammen zieht. Zur grösseren Vollständigkeit werden aber auch die sechs Dobrowsky’schen Bildungsformen des Verbums durchgenommen, eine für die Forschung wichtige Beigabe. Schade, dass auch in der Declination nicht mehr auf das System Dobrowsky’s Rücksicht genommen ist. Das alte Imperfect auf -ch hat sich bei den Slowencen nicht erhalten, wie z. B. bei den lausitzer Slawen; dagegen ist der Dual ebenfalls durchweg gebräuchlich. Als nützlicher Anhang ist der Grammatik beigefügt, ausser den bereits oben erwähnten practischen Uebungen zum Uebersetzen, eine „Sammlung der zum Sprechen nothwendigsten Wörter“ von S. 214—226, fast à la Meidinger; dann deutsche und slowenische Gespräche bis S. 251, die uns nicht ganz unzweckmässig scheinen, wenn gleich wir zu solchen Dingen nicht viel Vertrauen haben; endlich Uebungsstücke zum Uebersetzen in’s Deutsche bis S. 267. Diese, die uns gerade für den Lernenden am wichtigsten scheinen, sind leider! nur in geringer Anzahl vorhanden. Der Verf. wird sie bei einer etwa folgenden Auflage gewiss bedeutend vermehren müssen, wenn er den Wünschen und Bedürfnissen vieler seiner Schüler genügen will. — Ein besonderes Verdienst dieses Buches ist es auch, dass der Verf. die neue böhmische Orthographie angenommen, statt der früheren, von allen slawischen Schreibeweisen gänzlich abweichenden. Wir stimmen gern mit ihm überein, wenn er in der Vorrede sagt: „Durch die Wahl einiger čechisch-slawischen Schriftzeichen habe ich nur den schon in der Vorrede zur ersten Auflage dieser Grammatik von mir angedeuteten Weg, um die Dialecte der Westslawen durch eine gemeinschaftliche Orthographie einander zu nähern, nun wirklich betreten, in der vollen Ueberzeugung, dass die erwähnte Annäherung dieser Dialecte so lange ein frommer Wunsch bleiben wird, als die in der Literatur ärmeren und an Zahl unbedeutenderen sich nicht an die durch Cultur ausgezeichneteren und zahlreicheren Stämme anschliessen werden.“ Allein sonderbar ist es nun doch, warum sich der Verfasser gerade an die böhmische und nicht an die seinem Stamme doch viel nähere oder eigentlich verbrüderte illyrische Schreibeweise angeschlossen hat. Wir sind im Stande, die Vorzüge der böhmischen Orthographie in vollem Masse zu würdigen; dennoch aber müssen auch wir mit Schafarik der sogenannten illyrischen den Vorzug vor ihr geben. Uns möchte fast bedünken, als habe sich hier gerade der Familienhass eingeschlichen, und Herr Murko nur darum die illyrische Schreibeweise nicht angenommen, weil er gegen die Illyrier überhaupt eingenommen sei, und ihnen nicht freiwillig durch einen solchen Anschluss an sie in die Hände habe laufen wollen. Wäre unsere Vermuthung wahr (was nicht unbedingt nothwendig, da wir Herrn Murko viel zu fern stehen), so sollte sie den Illyriern als Fingerzeig dienen, wie sehr sie sich mässigen müssen, um die Stammesbrüder Slowencen nicht zu beleidigen und wie sie vielmehr durch die Macht der Idee einer gemeinsamen Vereinigung des gemeinsamen Volkes zu einer Literatur zu wirken haben, als wie jetzt mit der unglücklichen Idee des „Illyrismus“ zu kokettiren. Herr Murko aber wird bei ruhiger Ueberlegung gewiss zuletzt selbst auf die Nothwendigkeit kommen, sich der illyrischen Schreibeweise auzuschliessen, ohne desshalb von der Eigenthümlichkeit der slowenischen Mundart abzuweichen.

 Básně. Gedichte von W. Jaromir Picek. Prag, Haase 1843. 12. 105 S. Herr Picek ist bereits seit einer Reihe von Jahren vortheilhaft in der böhmischen Literatur bekannt. Seine ersten Gedichte erschienen in den Kwěty und der von Chmelensky herausgegebenen „Kytka“ (Traube) und erwarben ihm schon damals manchen warmen Freund. Herr Picek ist einer von jenen Glücklichen, welche in jedem Dinge, das ihrem Herzen nahe steht, eine Reihe der angenehmsten Seiten entdecken und so Genuss haben an Dingen, an denen der gewöhnliche Mensch achtlos vorübergeht. Das leichte Gefühl der Anmuth, ohne vorwaltende Tiefe oder Umfänglichkeit, die Innigkeit der Freude über sein Vaterland, seine Liebe, sein heimliches und heimathliches Glück, welche in den Dichtungen Picek’s immer und immer wieder kehren, finden bei jedem unverdorbenen und fein fühlenden

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/148&oldid=- (Version vom 21.10.2019)