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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

sondern noch übertrafen, denn der Oberschlesier, ich spreche hier nur von dem polnischen Oberschlesier, hat von Natur sehr viele Geistesanlagen.“ Der den letzten Worten zu Grunde liegende Gedanke ist ein trefflicher Wink für den Psychologen und beweist, wie durch das Umgiessen in eine fremde Nationalität dem Volke sein höchstes Gut, die geistige Kraft und Befähigung, geraubt wird. Sollte das die „germanisirungswüthigen“ Schlesier nicht zu einiger Besonnenheit führen? Dem oben erwähnten Edicte Friedrichs des Grossen folgte 1744 ein neues Schreiben an die Domainenkammer zu Breslau, das mit folgenden Worten beginnt: „Wir haben höchst missfällig vernommen, dass in Oberschlesien die Jugend im Christenthum, Lesen, Schreiben und Rechnen, am wenigsten aber in den ganz polnischen Gegenden in der deutschen Sprache unterwiesen werde, u. s. w.“ Und dennoch gab es damals ganze Städte in Oberschlesien, wo man nichts vom Deutschen wusste. So berichtete der Magistrat von Gleiwitz in demselben Jahre, dass in der Stadt zwar zwei Lehrer, dass aber beide der deutschen Sprache nicht mächtig waren. In Folge der nach jenem Edict eingegangenen Berichte wurde nun 1764 eine detaillirte Instruction an die katholischen Pfarrer und Schullehrer in Nieder- und Oberschlesien erlassen. Allein alle diese Befehle nutzten nichts, da sich Niemand um ihre Ausführung bekümmerte, vorzüglich in den polnischen Gegenden, wo das Nationalelement in Ruhe gelassen wurde, und wo noch lange Zeit hindurch in dem zur Erzdiöcese Krakau gehörigen Theile viele Geistliche aus dem benachbarten Polen angestellt wurden, die des Deutschen gänzlich unkundig waren. In einem besondern Rescripte von 1764 wird auf die Besetzung tüchtiger und der deutschen Sprache hinlänglich gewachsener Schulmeister gedrungen und absolut befohlen, dass an Orten, „wo die Schulmeister ganz polnisch sind, und weder deutsch reden noch lesen können, solche abgeschafft und dagegen ohne Widerrede von den Magisträten andere tüchtige Leute eingesetzt werden müssen, welche in beiden Sprachen völlig geübt sind.“ Wie viele Ungerechtigkeiten und Unbilden bei diesem Wechsel geschehen sein mögen, lässt sich denken. Zugleich wurde auch verboten, dass Kinder von Bauern und überhaupt aus dem niedern Stande zu den lateinischen Studien zugelassen würden. Wahrscheinlich wollte man dadurch bezwecken, dass bei den grossen Fähigkeiten, welche die polnische Dorfjugend nicht selten zeigte, dieselbe nicht in die höhern Stände empor sich dränge. Besonders streng ward verboten, in den geistlichen Stand zu treten; denn die Geistlichen sind ja überall die sorgfältigsten Pfleger der Nationalität. Später wurde sogar eine Art von Seminarien gebildet, und zwar für Oberschlesien die Schule der Stadt Ratibor und des Cisterzienserklosters zu Raudten, wo die Schullehrer „in der Kunst, die Jugend in der deutschen Sprache zu unterrichten“, angewiesen wurden. Durch ganz Schlesien wurde die sogenannte Sagansche Methode (von dem Abt Felbiger) eingeführt. Ein neues Rescript von 1767 verordnete, dass kein Knabe in die Lehre aufgenommen werde, „bis derselbe sich durch ein Attest des Schulinspectors über seinen erworbenen sattsamen Unterricht in der deutschen Sprache sowohl, als im Rechnen und Schreiben legitimirt haben wird.“ Und so dringt denn jeder Befehl der Regierung mit aller Macht darauf, dass alle Stände allmählig germanisirt werden. Alle diese Verordnungen nennt der Verf. „weise und gut“, gesteht aber doch ein, dass „bei der weiten Entfernung der obersten Aufsichtsbehörde, bei der grossen Abneigung des Oberschlesiers gegen die deutsche Sprache, an ein Gedeihen nicht zu denken war.“ Und eben deshalb waren jene Verordnungen nicht weise, weil man die geringen Früchte solcher Bemühungen, die gegen den Hass, den man sich dadurch beim Volke zuzog, gar kein Gleichgewicht boten, hätte sollen voraussehen. Nach dem Tode Friedrichs des Grossen blieb das Schulwesen lange Zeit gänzlich unberücksichtigt, bis endlich die strenge Verordnung von 1801 ihm ein neues Leben einhauchte. Allein die nächstfolgenden kriegerischen Zeiten vereitelten jede Wirkung dieser Massregeln. Erst nach dem Frieden, als 1816 in Oberschlesien zu Oppeln eine eigene Regierung eingerichtet wurde, ging man mit Ernst an die Verbesserung des katholischen Schulwesens im polnischen Oberschlesien. Nun hat man es

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/142&oldid=- (Version vom 12.10.2019)