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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Journalen werden wir nach und nach alle einzelnen wissenschaftlichen Artikel seit ihrer Gründung durchgehen und ihren Inhalt mittheilen. Die Rubrik: Specielle literarische Uebersicht, werden wir in zwei Abtheilungen zerlegen; in der ersten wollen wir eine möglichst vollständige slawische Bibliographie (nach allen Sprachdialekten), so wie eine specielle Uebersicht aller deutschen Werke über slawische Gegenstände geben; in der zweiten wieder die eben erscheinenden slawischen Zeitschriften nach der Reihe durchgehen und die interessanten Artikel aus denselben in kurzen Auszügen mittheilen; dabei auch die in nicht slawischen periodischen Blättern vorkommenden Aufsätze über Slawisches angeben und wo es noth thut, näher besprechen. Correspondenzen aus den verschiedenen slawischen Ländern, so wie Miscellen und Anzeigen werden jedes Heft beschliessen. — Der Realisirung eines so weitsichtigen Unternehmens stehn allerdings vielerlei Schwierigkeiten im Wege; wir verkennen das nicht im Geringsten, und wenn wir auch nicht alsobald allen Anforderungen zu genügen im Stande sein werden, welche wir selbst an uns stellen, so hoffen wir in Anbetracht jener desto eher Nachsicht und Geduld zu finden. Allein uns stehen doch mancherlei Mittel und Wege zu Gebote, welche einem andern unzugänglich sind; denn durch persönliche Bekanntschaften wie durch literarischen Verkehr haben wir eine Reihe der tüchtigsten Männer für unsere Sache gewonnen, mit deren Unterstützungen wir unseren Plan wenigstens allmählig auszuführen hoffen dürfen. Vor allem aber entschied über unseren Entschluss und setzte uns über jeden Zweifel hinweg die Ueberzeugung, ein Vermittelungsorgan zwischen Deutschland und dem Slawenthum sei ein dringendes und unabweisbares Bedürfniss, dessen Nichtbefriedigung in Kurzem Rache nehmen müsse an beiden Nationen zugleich. Deutschland muss die Slawen aus sich selbst kennen, es muss sie aus ihrer eigenen Individualität auffassen lernen, damit es sich endlich von den Vorurtheilen heile, welche es aus einer tausendjährigen Geschichte von Hass und Zwietracht gegen die Slawen eingesogen. Den Slawen liegt daran, dass sie nicht länger verkannt werden; Deutschland selbst fühlt dieses Bedürfniss und kräftige Stimmen haben sich bereits erhoben, welche zur Ausgleichung der tiefen Kluft zwischen den Westen und dem Osten auffodern. Soll das geschehen, so muss Deutschland die Slawen in ihrer nationellen Eigenthümlichkeit auffassen, wie sie sind, nicht wie sie sein könnten oder sein sollten, und das ist nicht allzu leicht. Die beiden Nationalitäten sind in ihrem innersten Wesen viel zu verschieden von einander, als dass sie einander so leicht verständlich wären. Da reichen einzelne Schilderungen von Reisenden und andern Beobachtern nicht hin; es muss eine umfassende, eine allseitige Kenntnissnahme möglich gemacht werden, die Slawen müssen gleichsam selbst in ihrer Natur und Wesenheit, in ihrer eigenthümlichen Gestalt den Deutschen vorgeführt; es muss ihr reinstes und unmittelbarstes Abbild, wie es sich in ihren geistigen Schöpfungen abspiegelt, der deutschen Beobachtung vorgehalten; also die schriftlichen Produkte ihrer geistigen Entwickelung in getreuen Bearbeitungen oder Uebersetzungen auf deutschen Boden verpflanzt und so dem deutschen Volke die Möglichkeit gegeben werden, mit eigenen Augen zu sehen, aus eigener Anschauung sich zu überzeugen, was die Slawen sind, wie sie es geworden und was sie noch werden können. Und das wird eine der ersten Aufgaben unserer Jahrbücher sein. Dabei werden wir es freilich nicht unterlassen dürfen, diese gebotenen einzelnen Lichtstrahlen zusammen zu fassen und nach unserer Weise in ein Ganzes zu verknüpfen; denn nur ein Strahlenbund ist im Stande ein munteres Licht zu geben und die Art des Zusammenfügens bestimmt die Farbe, in welcher es vor unserem Auge strahlt. Und gerade dieser Punkt ist der gefährlichste für uns, da wir hier manches zu sagen gezwungen sein werden, was vielseitigen Anstoss finden dürfte. Denn einerseits werden wir Deutschland so manches vorhalten, was wir nicht im Stande sind für recht und gut und schön anzuerkennen; und andrerseits wieder den Slawen manche bittere Wahrheit sagen, manches herbe Wort an sie richten müssen, an welchem viele in ihrem schwindelnden Patriotismus gar heftigen Anstoss nehmen dürften. Allein da wir entschlossen

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/14&oldid=- (Version vom 4.8.2020)