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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Griechinnen, wenn sie die Liebe Jemandes und das künftige Glück oder Unglück hei einer Heirath wissen wollten. Da kamen sie zahlreich zusammen, legten in ein mit Wasser gefülltes Glas Ringe, Goldreifen, Münzen und dergleichen, dann sangen sie Lieder und nahmen die Sachen während dess wieder hinaus. Das abgesungene Lied bestimmte das Schicksal der Griechin, deren Eigenthum herausgezogen ward. Doch hatten die Griechen nicht den Refrain: „Slawa Ruhm;“ dieser ist nur bei den slawischen Russen üblich.

 Nach allen diesen muntern Belustigungen fingen die Gäste ernstlich an, sich zu heben, um nach Hause zu gehen. Der Hausherr und die Hausfrau mussten sie gar sehr bitten, noch ein Weilchen zu bleiben. Endlich liess man sich denn doch nicht mehr halten; nun ging es an das Abschiednehmen und das Begleiten, welches allemal eine Stunde und noch länger dauerte; denn jeder Gast musste ein Geleite bis zum Thore bekommen.

 Je langweiliger diese ganze Ceremonie war, desto freier athmeten die rothen Mädchen auf, wenn die älteren Personen sich nun endlich entfernt hatten und Niemand mehr da war als sie selbst und ihre „Erwählten.“ Das erste Spiel, welches sie nun vorbrachten, hiess: den „Erwählten“ rufen (Klikati sużenago); dann kamen allerhand Wahrsagereien zum Vorschein, bei denen die wohlerfahrenen Ammen die erste Stimme führten. Erst die späte Mitternacht machte diesen Belustigungen ein Ende.

 Nach der ersten Abendunterhaltung besprachen sich die Verwandten und Bekannten, um ein kleines Fest in ihrem eigenen Kreise zu feiern. Hier traten nun die Männer wieder in ihr Recht und ordneten Alles nach ihrem Gutdünken. Es wurden einige Häuser bestimmt, in denen man an einem Abende sich belustigen wollte. Nach eingetretener Dunkelstunde wurden die Schlitten angespannt und die junge Herrschaft des Hauses, der Mann mit der Frau, fuhren maskirt mit bedecktem Gesichte aus, um sich zu vergnügen. Solche unkenntliche Gäste nahm man mit Freuden auf, bewirthete sie mit grösster Zuvorkommenheit und bemühte sich, unter der Hand zu erfahren, wer sie sind. War dieses lange Zeit nicht möglich auszuforschen, so nahm man seine Zuflucht zum Schaukeln; einige Leute vom Hause fassten den Gast fest an, hoben ihn in die Höhe und schwenkten ihn in den Händen haltend hin und her, bis „er Busse thäte.“ So wurde der Gast gezwungen, sich zu erkennen zu geben — und vom Neuen begann das Trinken und Schmausen und Jubeln. Nach und nach kamen nun mehrere solche Gäste an; war die volle Anzahl da, so setzte man sich wieder in die Schlitten, um in anderen Häusern „im ganzen Zuge“ d. i. in ganzer Gesellschaft zu schmausen und zu zechen. So zog man die ganze Nacht hindurch von einem Hause zum andern und kam erst zur Frühmesse nach Hause zurück.

 In den Städten und Dörfern waren besonders die Nächte des Weihnachtsfestes dazu gewidmet, um bei den lustigen Fahrten und den lärmenden Gastereien die alten Familienbündnisse und Verwandtschaften zu erneuern und neue Bekanntschaften zwischen den jungen Leuten beider Geschlechter anzuknüpfen. Denn die Töchter der schlichten Bürgersleute und die Landmädchen waren bei ihrer einfachen, naturgemässen Erziehung viel zu schüchtern, als dass sie am Tage eine grössere Annäherung erlaubt hätten; überdiess wagte es auch Niemand aus den höheren Ständen, Vormittags auszufahren; diess war ein Vorrecht der Bojaren, welche einen Tag wie den andern in ungeheuren Schlitten mit zahlreichem Gefolge vor Tische die Strassen der Städte auf- und abjagten und tobten.

 Aermere Leute, welche keine reichen Verwandten hatten und niemals unter die Ehrengäste zu den Abendunterhaltungen eingeladen wurden, belustigten sich auf der Gasse in kleinen Kreisen. Maskirt dienten sie durch die unzähligen carrikirten Gestalten jeder Art und Form, die da zum Vorschein kamen, einer dem andern zur Unterhaltung. Die Kühneren unter ihnen wagten es, von einem maskirten jungen Manne aus reicher Familie angeführt, in eines und das andere gastliche Haus als Lustigmacher und Kurzweiltreiber zu gehen. Die Mädchen der ärmeren Classen dagegen versagten sich nicht die eigenthümlichen Vergnügungen

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/129&oldid=- (Version vom 29.9.2019)