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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Nach jedem Liede sang der Chor den nur hier gebräuchlichen Refrain:

Und wem wir’s gesungen, dem bekomm’ es wohl, Ruhm (Slawa!)
Und wem es gefehlt, der muss es verlieren, Ruhm!
Der muss es verlieren, es kann nicht fehlen — Ruhm!

Bei dem letzten Ringe wird gegenwärtig in den Gubernien um Moskwa herum kein Tischlied mehr gesungen; dem, glaubt man, stehe ein schlimmes Geschick bevor. Ganz anders denkt man in Sibirien und schon in den Städten jenseits der Wolga. Dort singt man dem letzten Ringe ein Hochzeitslied, dann aber rollt man ihn auf den Fussboden, um zu sehen, nach welcher Seite hin er kollern wird. Wenn der Ring eines Mädchens nach der Thür hinläuft, so wird sie heirathen; bei einem Manne aber bedeutet diess eine Reise.

 In den Colonien des Bezirks von Jarensk (Gouvernement Wologda) werden die Tischspiele ganz anders gehalten. Dort bringt man eine leere Schüssel, ohne Wasser, in das Zimmer und stellt sie auf den Tisch; dann kommt ebenfalls Brod, Kohle und Asche (statt Salz), das wird in Leinwand eingebunden und in die Schüssel gelassen. Hierauf macht ein Jeder der Anwesenden aus den Leinwandflecken, aus Schnupftüchern und Halstüchern allerhand Figuren: Pferde, Kühe, Kinder, Vögel, allerhand kleine Wald- und wilde Thiere und dergleichen mehr. Ist nun alles in die Schüssel hineingethan, so stellen sich die Mitspielenden um den Tisch und singen das Lied:

„Ruhm unserm Gott im Himmel, Slawa! u. s. w.

wie oben S. 114.

 Während des Singens heben die Theilnehmerinnen die Hände und stampfen am Schlusse eines jeden Verses ein Mal mit dem Fusse. Dann setzt sich einer der angesehensten Gäste auf einen hohen Fussschemmel; sobald nun das erste Lied ausgesungen, so heben ihn die Mädchen von dem Schemel auf und schaukeln ihn. Endlich ist das Schaukeln beschlossen, die Mädchen laufen zu dem Tische, und nehmen mit der grössten Behendigkeit aus der Schüssel, was einer jeden zuerst in die Hand fällt. Diese Sachen werden in einer Ecke des Zimmers in kleine Häufchen aufgeschichtet. Die Mädchen verbinden sich die Augen und dann geht die ganze Gesellschaft paarweise, immer ein Mann mit einer Frau, um den Tisch herum und singen anfangs Weihnachtslieder, später Reigenlieder. Während des Singens bemühen sich die Mädchen, die einzelnen Leinwandbündel, die zerstreut hin und her liegen, aufzusuchen. Nach Beendigung dieser Ceremonie lassen sie die Binde von den Augen fallen und sehen nach, was einer jeden zu Theil geworden. Aus diesem nun werden allerhand Prophezeihungen gemacht.

 Sind nun alle Tischlieder abgesungen, die für die Swjatki gehören, so fängt man an „Gold zu verstecken (choronit zloto).“ Von den Tischliedern wird immer ein Ring übrig gelassen. Diesen nimmt nun eines der Mädchen und geht rings um die Mädchen, welche in geschlossenem Kreise die Hände auf den Knieen fest an einander schliessen. Während der ersten vier Verse hat die Versteckerin den Ring in irgend eines Mädchens Hand gelegt, dieses hat ihn seiner Nachbarin gegeben und so ist er immer weiter gekommen. Endlich ist das Lied abgesungen, nun muss die Schatzgräberin rathen, wer das Gold begraben hält; erräth sie es, so ist dieses Spiel zu Ende, wenn aber nicht, so fängt das Goldgraben von Neuem an. (Wir brauchen nicht zu erinnern, dass dieses Spiel ganz mit dem deutschen „Thaler, du musst wandern“ übereinkommt.) Das Lied, welches man zu diesem Spiele singt, ist folgendes:

Empfohlene Zitierweise:
J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/127&oldid=- (Version vom 29.9.2019)