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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

hinein. Heinrich der Löwe machte endlich der slawischen Macht der Luticen ein Ende, indem er Alles mit Feuer und Schwerdt verwüstete (1160). Ein Gleiches that Albrecht der Bär mit den Bodricen. Die westlichen Serben unterjochte der Markgraf Konrad von Meissen, aus dem Hause Wettin (1123), und dehnte seine Herrschaft auch nach Osten über die Elbe hinaus. So unterlag allmählig das ganze Westslawenthum der deutschen Macht. Eine eigenthümliche Erscheinung ist es, dass die Elbeslawen unter allen Slawen am spätesten das Christenthum angenommen. Die Hauptschuld lag an der masslosen Herrschsucht, der Habgier und unmenschlichen Grausamkeit der deutschen Fürsten, welche seit Otto I. die Religion zum Vorwande nahmen, um diesen Leidenschaften zu fröhnen und das slawische Volk zu knechten, und gerade dadurch den heftigsten Widerstand und Abscheu und Verachtung dessen hervorriefen, was dem Naturmenschen das Heiligste ist. §. 44. Die allgemeinen Namen „Winden“ und „Slawen“ werden den Elbeslawen oft gegeben; „Serben“ heisst ihre Gesammtheit einmal bei Wibius Sequester, „Hunnen“ hei Beda, „Sarmaten“ bei Gerbert und Hugo. Seit Karl d. Gr. kamen die Namen der einzelnen Stämme in Gebrauch. Die Luticen hiessen auch Weleten (deutsch: Wilzen und Walzen) und Welci, Welczkowe, Wölfe (deutsch: Wuczschken, Wutzkern). Sie kamen aus dem Gouvern. Wilno, nahmen wahrscheinlich die baltische Küste bereits zwischen 150 – 170 den Gothen und Wandalen ab, wurden hier nach Normannenart Seeräuber und setzten ihre Eroberungen längs der ganzen Nordküste Deutschlands fort, sandten ihre Colonien nach Batavien und Brittanien (Wiltshire) aus, trieben wahrscheinlich auch die Anglosachsen über das Meer und gründeten endlich eine feste Eroberung an der Ostsee. (Die Darstellung alles dessen ist meisterhaft.) Die Anwesenheit der Slawen in den Niederlanden wird sehr wahrscheinlich aus den Zeugnissen des Beda und des Venantius Fortunatus (dessen Wasco = Walco, Walzo, Wilzen) und aus den Zeitumständen. Die Bodricen (Obotriten) westlich von den Weleten, zwischen der Ostsee und der Elbe, von der Warnow und Stekenitz bis zur Trawe in Meklenburg und Holstein, liessen sich von allen zuerst in Bündnisse mit den Franken ein und bereiteten dadurch nicht nur sich, sondern auch den übrigen Elbeslawen den Untergang. – Die Serben, südlich von den beiden vorigen, sind Luzičane, Lausitzer, in der sog. Niederlausitz; Milčaner, Milzen, in der Oberlausitz. Letztere haben Namensbrüder in Dacien und dem Peloponnes, mit denen sie wohl einst einen kräftigen und mächtigen Volksstamm bildeten, der seine Urheimath an der Gränzscheide Lithauens und Polens, in der Nachbarschaft der Weleter, haben mochte. Eben so haben die Susli oder Siusli verwandte Stämme in Russland, in Wagrien und unter den Winden. – Die übrigen in Deutschland sich vorfindenden slawischen Gemeinden sind meistentheils Colonien, welche nach der slawischen Besetzung Böhmens und der Elbgegend von den deutschen Herren des Ackerbaues wegen mitten in Germanien angesiedelt wurden. Selbst in der Schweiz gibt es slawische Gemeinden (gegen Joh. v. Müller). – Dass die Heimath der Elbeslawen das Weichselland in der Nähe der Lithauer sei, wird nun noch ein Mal aus der Geschichte, aus ihren Religionsgebräuchen, ihren Sitten und besonders ihrer Sprache dargethan. Letzterer nach aber gehörten sie in ihrer Hauptmasse von jeher zu den Westslawen.

 In §. 45 gibt nun der Verfasser zum Schlusse noch eine alphabetische Uebersicht aller der Völkerschaften, welche die Geschichte als unzweifliche slawische darstellt. Es sind ihrer mehr als anderthalb hundert. – Die folgenden Beilagen geben Auszüge aus 26 Quellenschriftstellern.

 Wenn wir nun unsere Uebersicht dieses in der Wissenschaft Epoche machenden Werkes schliessen, so sind wir nicht etwa der Ansicht, als hätten wir selbst auch nur die wichtigsten Ideen, die in dem Buche enthalten sind, hier wiedergegeben; das war unsere Absicht nicht. Es fehlte uns der Raum dazu; wir hätten ein besonderes Buch daraus machen müssen. Nein, wir wollten nur unsern Lesern zeigen, was Alles in dem Buche besprochen wird, und wo man es in demselben suchen muss; wir wollten nur die Hauptresultate des Werkes andeuten und die

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/112&oldid=- (Version vom 30.8.2018)