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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Eingang finden. Der frühere Bischof von Salzburg, Virgilius, und sein Nachfolger Arno, erwarben sich den grössten Ruhm. Die Bischöfe von Aquileja trugen nur wenig zu diesem Zwecke bei. So ward von deutschen (und italienischen) Priestern der römische Glaube mit lateinischem Ritus bei den kärnthnischen Slawen eingeführt, und blieb es bis zur Zeit des Cyrill und Method. Das Land wurde in drei Marken getheilt, die Ostmark (das jetzige Erzherzogthum Oestreich), das Herzogthum Kärnthen und slawische Gränzmark (ganz Krain und ein Theil von Kärnthen und Steyermark); diese wurden von Markgrafen verwaltet und die kleinen slawischen Fürsten mit scheinbarer Selbstständigkeit ihnen untergeben. §. 36. Von den verschiedenen Namen, welche das von den kärnthnischen Slawen ehedem besetzte Gebiet führt, ist der Rakausy (bei den Czechen und Mährern) von dem alten Volke der Rakaten (bei Ptolomaeus) auf die Oestreicher übertragen. Karantanum, Kärnthen, ist das keltische karn Felsen, und tan Land, mit Karnia eines Stammes. Die gallischen Karni in Krain und Friaul können aber auch Nachkommen der gallischen Karnuti sein. Der Name Krajn (bereits 974 u. 988 vorkommend) ist entweder aus Karnia von den Slawen verderbt, oder aus dem slawischen krajina, Gränzland entstanden. Die Gränzen der slawischen Besitzungen reichten im VIII. und XI. Jahrh. im Westen bis an die Quellen der Drau in Tyrol, zu der Salza und dem Inn in Baiern, im Norden aber bis an die Donau im Erzherzogthume. Der Hauptstamm der kärnthnischen Slawen scheint aus gleicher Heimath mit den Serben und Chrowaten nach dem neuen Vaterlande gekommen zu sein; diess zeigt ihre Sprache, besonders auch die Personen-, Volks- und Localnamen, wie Chorwati, Suselcy, Dulebi, Stoderani, San (Fluss), Schtyr (Fluss) u. s. w.

 7. Abschnitt. Die polnischen Slawen. Keines andern nur irgend wie bedeutenderen slawischen Volkes Geschichte liegt so sehr im Dunkeln, als die ältere des polnisch-lechischen Zweiges. Die Ursache liegt darin, dass die einheimischen Schriftsteller bis tief in das XV. Jahrh. hinein nicht bloss lateinisch schrieben, sondern auch Alles in ein classisches Gewand kleideten, von Parthern, Geten, Jul. Cäsar und dergleichen sprachen, wo sie von Polanen, Masowiern, Russen, von Kasimir und dergleichen erzählen wollten. Kadłubek und Martin Gallus, die ersten unter ihnen, schöpften ihren Stoff aus den Volkssagen und Volksliedern, in denen manches historische Faktum verborgen, das aber genau darzustellen in unseren Tagen eine Unmöglichkeit ist. Ossolinski und Lelewel haben hier fruchtlos viele Mühe verschwendet. Die Urheimath der polnischen Slawen ist unbedingt das Land zu beiden Seiten der Weichsel; hier lebten sie in stiller Ruhe (nur die Gränzstämme kamen in Reibungen mit den Nachbarn) und mochten wohl durch ihr Uebergewicht zu den Zügen der germanischen, im Westen an sie gränzenden Völkerschaften nicht wenig beigetragen haben; denn sonst hätten diese wohl nur einzelne Streifzügler und Abentheuer-Schaaren ausgesendet, nicht aber das Land gänzlich geräumt. Bis zur Mitte des IX. Jahrhundertes sind die Nachrichten über diese Völkerschaft bei allen Historikern sehr unbedeutend. Um 860 erhob sich unter den kleinen Fürsten zuerst Semowit und gründete ein Reich, das seine Nachfolger immer weiter ausbreiteten. Mieczysław nahm zuerst das Christenthum an 965, und sein Sohn Boleslaw befestigte es und sein Reich durch glückliche Siege. Von der slawischen Liturgie finden sich nur einzelne Spuren; seit dem J. 1000 war der lateinische Ritus vollständig eingeführt. Zu den Polen gehörten auch die Schlesier und die Pommern der Abstammung, der Sprache, und seit Boleslaw auch der Regierung nach. §. 38. Unter den Volksnamen ist der öfter vorkommende der Weissserben und Weiss– oder Gross-Chroaten sehr wichtig und findet hier eine sehr detaillirte Untersuchung. Eben so der Name Lech, der mit zemjanin, Grundbesitzer, gleichbedeutend ist. Der Name Slezak, Schlezane, Schlesien wird von den germanischen Silingen abgeleitet.

 8. Abschnitt. Die czechischen Slawen. Ob Böhmen vor dem Eindringen der Bojer bereits slawische Einwohner gehabt, ist nicht gewiss, indess sehr wahrscheinlich. Die Czechen kamen nach der Vernichtung der Markomannen zwischen

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/110&oldid=- (Version vom 3.11.2018)