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Dr. med. Friedrich Dornblüth: Ist Radfahren gesund?

natürlich um so früher, je kleiner die Atmungsfläche und Ausdehnsamkeit der Lunge, je schwächer das Herz und je ärmer das Blut an den zur Aufnahme und zum Transporte des Sauerstoffs dienenden roten Blutkörperchen ist.

Brust- und Herzschwache, Blutarme und Bleichsüchtige dürfen deshalb das Radfahren, wie andere anstrengende Bewegungen überhaupt, nicht oder wenigstens nur unter Vermeidung jeder erheblichen Kraftaufwendung unternehmen, müssen es aber stets einstellen, sobald eine erhebliche Beschleunigung der Atemzüge und Herzschläge eintritt.

Gesteigertes Luftbedürfnis veranlaßt zunächst, daß der Mund geöffnet wird, um der Atmungsluft weitere Eingangswege zu bieten. Dadurch kommt jedoch die Luft weniger erwärmt, weniger feucht und weniger staubfrei in die tieferen Luftwege, als wenn sie durch die engen, mit blutreichen und feuchten Schleimhäuten ausgekleideten Nasengänge gezogen ist. Austrocknung des Mundes, Schädigungen der Rachenwege, des Kehlkopfs und der Lungen selbst, besonders durch kalte, trockene und staubreiche Luft, namentlich Anschwellung und Entzündung der Mandeln und der Nasenschleimhaut, akute und chronische Rachenkatarrhe sind die Folgen davon.

Zweckmäßige Atemübungen und energischer Wille sind erforderlich, um dies gesundheitswidrige Atmen auszuschließen, hilfreich für bessere Gewöhnung pflegt sich ein Stroh- oder Grashalm oder ein Blatt zwischen den Lippen zu bewähren, das durch Verhütung der Austrocknung der Schleimhäute auch dem quälenden Durstgefühl vorbeugt.

Tief- und Vollatmen ist nur bei aufrechter Körperhaltung möglich, denn nur dann kann beim Einatmen der Brustkorb sich ausgiebig heben und das Zwerchfell sich gehörig senken. Letzteres ist unmöglich, wenn durch vorgebeugte Haltung der Unterleib zusammengedrückt wird. Die starke Hebung des Brustkorbes in Verbindung mit der Zusammendrückung der luftgefüllten Gedärme und der Spannung der Bauchmuskeln bei richtigem Tiefatmen hat sodann auch ausgiebige Ausatmung durch die Elasticität der gespannten Teile zur Folge. Dies bewirkt nicht bloß, wie schon gesagt, durch Entfaltung der Lungen, sondern auch durch begünstigten Blutzufluß aus den Venen, besonders aus denjenigen des Unterleibs und der unteren Körperteile, eine Erleichterung der Herzarbeit, während beides durch die bei starker Vorbeugung des Oberkörpers eintretende Abknickung der unteren Venen im Zwerchfell geradezu erschwert wird.

Die erschwerte Herzthätigkeit ist es aber gerade, die bei dem durch mangelhafte Uebung, Berganfahren, bei starkem Gegenwind oder beim Wettrennen sehr anstrengende Radfahren eine Erweiterung der Herzhöhlen mit Schwäche ihrer Wände oder bleibender Verdickung derselben wie derjenigen der großen Schlagadern, ferner Abreißung der Herzklappen oder gar plötzliche Ohnmacht und selbst den Tod durch Herzlähmung erzeugen kann und thatsächlich oft erzeugt.

Diese so überaus schädliche und oft gefährliche Ueberanstrengung des Herzens wird also durch ruhiges Fahren, gute Körperhaltung und Tiefatmen bei geschlossenem Munde wesentlich vermindert; sehr beschleunigtes Atmen, Kurzatmigkeit und Herzklopfen sind jedenfalls ernste Mahnungen zur Vorsicht und zum Einstellen der Anstrengung!

Zur aufrechten Körperhaltung ist richtige Konstruktion des Fahrrades unumgänglich; namentlich die Lenkstange muß so hoch sein, daß sie in aufrechter Stellung bequem gehandhabt werden kann, und der Sitz muß so beschaffen sein, daß er nicht nur den für die Tretbewegungen günstigsten, also auch nach der Länge der Beine zu bemessenden Abstand von den Trittbrettern hat, sondern auch das Sitzen so gestattet, daß weder Druck noch Reibung stattfinden kann.

Die Kleidung des Radfahrers darf selbstverständlich weder das Atmen und die Blutbewegung, noch die Bewegungen der Gliedmaßen irgendwie erschweren. Enge Gürtel, Korsetts und dergleichen mehr sind demnach ebenso auszuschließen wie enge Kragen und Halstücher, ringförmige Strumpfbänder u. s. w., mögen sie auch durch Elasticität den Schein der Nachgiebigkeit und Unschädlichkeit erwecken.

Auch soll die Kleidung so durchlässig für die Luft sein, daß sie der Wärmeabgabe und Verdunstung von der Haut, die durch die Muskelthätigkeit wesentlich gesteigert werden, keine Hindernisse bereitet. Für Ruhepausen, wo Wärmeabgabe und Wasserverdunstung infolge der vorausgegangenen Muskelarbeit noch fortdauernd gesteigert sind, während der Wärmeerzeugung schnell zurückgeht, sind wärmere Umhüllungen, sowie Vorsicht gegen erkältende Winde und niedrige Temperaturen notwendig. Abhärtung der Haut gegen Kälteeinflüsse durch kalte Waschungen, Bäder etc. ist aber daneben höchst wünschenswert.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. med. Friedrich Dornblüth: Ist Radfahren gesund?. Leipzig : Keil, Leipzig 1897, Seite III. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ist_Radfahren_gesund%3F.pdf/3&oldid=- (Version vom 9.3.2019)