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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis

übersetzt mit der lebendigsten Aehnlichkeit von Schlegel, wurde auf den deutschen Bühnen aufgeführt, wie wenn Shakespear und Schiller Landsleute geworden wären. Und leicht würde man in Italien gleiche Wirkung haben, weil die französischen Dramatiker sich so den Italiänischen nähern, wie Shakespear den Deutschen: es scheint mir, man dürfe nicht zweifeln, daß auf dem schönen mailändischen Theater die Athalie (v. Racine) mit Beifall aufgenommen werden würde, wenn die Chöre von der staunenswürdigen italiänischen Musik begleitet würden. Man wird mir sagen, daß in Italien die Leute ins Theater gehen, nicht um zu hören, sondern um sich in den Erkern mit den vertrautesten Freunden zu vereinigen und zu schäckern. Und ich werde hieraus schließen, daß freilich täglich 5 Stunden lang Stehen und Hören dessen, was man Worte der italiänischen Oper nennt, nothwendigerweise wegen dem Mangel der Uebung, den Verstand eines Volkes stumpf machen muß. Aber als Casti seine komischen Dramen schuf, und als Metastasio der Musik seine edelsten und anmuthigsten Gedanken so wohl anpaßte, war die Unterhaltung nicht geringer, und der Verstand zog davon viel Vortheil. Wenn ihr in dieser unaufhörlichen und allgemeinen Leichtfertigkeit aller öffentlichen und privaten Versammlungen, wo jeder des andern Gesellschaft sucht um sich selbst zu fliehen und sich von einer schweren Last der Langweile zu erlösen, zur Hälfte dem Vergnügen einige nützliche Wahrheit beimischtet, und einige gute Ideen; so würdet ihr in die Gemüther ein wenig Ernsthaftes und Nachdenkliches legen, welches sie vorbereiten würde zu irgend einem Ding gut zu seyn.

Es gibt jetzt in der italiänischen Litteratur eine Klasse von Gelehrten, welche beständig in der antiken Asche zu scharren gehen, um vielleicht einiges Körnchen Gold daselbst zu finden: und eine andere von Schriftstellern ohne anders Kapital als viele Zuversicht auf ihre harmonische Sprache; daher flicken sie Töne aller Gedanken entblößt an einander, Ausrufungen, Abrufungen, Anrufungen, daß die Ohren gellen, und sie taub der andern Herzen finden, weil sie nicht aus dem Herzen des Schriftstellers kommen. Sollte es also nicht möglich seyn, daß eine mühsame Nacheiferung, ein lebhaftes Verlangen in den Bühnen beklatscht zu werden, die italiänischen Geister zu dem Nachdenken führe, welches zum Erfinder macht, und zu der Wahrheit der Entwürfe und Sätze im Styl, ohne die es keine gute Litteratur gibt, ja nicht ein Element von ihr?

Allgemein gefällt das Drama in Italien: und es verdient es, daß es immer mehr gefalle, indem es vollkommener wird, und nutzbar für die öffentliche Erziehung; und nichts desto weniger muß man wünschen, daß es die Rückkehr dieser muntern Fröhlichkeit nicht hemme, wodurch es hinwieder so heiter war … Alle gute Dinge müssen unter sich freund seyn.

Die Italiäner haben in den schönen Künsten einen einfachen und edlen Geschmack. Nun ist doch die Sprache auch eine der schönen Künste, und sollte die nämlichen Eigenschaften wie die andern haben, ja die Kunst der Sprache ist inniger dem Wesen des Menschen [104] verbunden, welcher vielmehr die Gemälde, Bilder und Denkmäler entbehren kann, als diese Vorstellungsbilder und diese Gefühle, denen die Gemälde und die Denkmäler geweihet werden. Die Italiäner bewundern und lieben außerordentlich ihre Sprache, die von den höchsten Schriftstellern geadelt worden: überdieß hat das italiänische Diet fast keinen andern Ruhm, oder anderes Vergnügen, oder andern Trost als die, welche das Talent gab. Damit der Einzelne, von Natur zur Uebung seines Verstandes geneigt, in sich selbst einen Grund fühle, seine natürliche Fähigkeit in Handlung übergehen zu lassen, ist es nöthig, daß die Völker ein Interesse haben, welches sie bewegt. Einige haben es am Krieg, andere an der Politik: die Iialiäner müssen den Preis von den Wissenschaften und den Künsten erwerben; sonst würden sie in einem dunklen Schlaf liegen, aus dem nicht einmal die Sonne sie aufwecken könnte.


Frau von Krüdener.
(New Monthly Magazin June 1816.)

Die Baronesse Krüdener aus Riga, welche vor einigen Jahren beträchliche Talente in einer Novelle, Valeria betitelt, auslegte, ist, so scheints, von einer ungewöhnlichen religiösen Narrheit ergriffen worden. Von der Regierung zu Basel gezwungen diese Stadt zu verlassen, hat sie seit einiger Zeit in Arau residiert, wo sie den Einwohnern, die sie aus der Gegend um sich versammelt, predigt. Sie hält jeden Abend eine fromme Conferenz in Französischem mit den besser erzogenen Einwohnern von Arau. Man will sagen, daß sie keiner Secte den Vorzug gebe; daß ihre Meinungen, welche nach der Vereinigung aller religiösen Societäten fahnden, gegründet seyen auf die Hauptglaubensartikel aller christlichen Ueberredungen. Diesen gemäß läßt sie Personen von allen religiösen Gemeinden zu ihren Sitzungen, von denen es nicht fehlt, daß jeder höchlich erbaut zurückkehrt.


Abschrift des Briefs des Duc d’Otrante, bei Joachim Murat gefunden.

Ich habe den Brief empfangen, durch den Sie mir Ihre Landung auf den Küsten der Provinz und Ihre Entblößung anzeigen; ich beeifere mich, Ihnen die nöthigen Mittel und einen Paß vom Fürsten Metternich zu überschicken, damit sie sich nach Oestreich begeben können, wo Ihre Familie sich schon niedergelassen hat; ich lade Sie ein, Frankreich unverzüglich zu verlassen, und den Weg nach Triest zu nehmen.

Ich kann Ihnen keinen andern Rath geben als den einer vollständigen Ergebung in ihre Lage; das Unglück hat oft glückliche Folgen; Sie werden in dem Privatleben die Zufriedenheit finden, die sie nicht auf dem Thron genießen konnten, welche Ruhe kann es geben auf einem Thron, der zittert und sich auseinander zu lassen droht unter dem, der darauf gesetzt ist? glauben Sie dieses dem, der die menschlichen Scheinlockungen kennt, und der nicht aufhören wird, Antheil an Ihnen in nehmen, welches auch Ihr Geschick und Ihre Entfernung seyn mag.

Unterzeichnet der Duc d’Otrante.


Empfohlene Zitierweise:
Lorenz Oken (Hrsg.): Isis. Brockhaus, Jena 1817, Seite 103–104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Isis_1817_52a.jpg&oldid=- (Version vom 13.10.2018)