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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis

ritzt, der milchichte giftige Saft, er wird an der Luft bald braun; der Bast oder die innere Rinde ist faserig wie die der Morus papyrif., und wird von den ärmern Einwohnern zu ähnlichem Zweck verwendet. Das daraus verfertigte Zeug verursacht, wenn es vom Regen naß wird, ein schmerzhaftes Jucken auf dem Körper. Die Einwohner des östlichen Theils der Insel sind im ausschließlichen Besitz der Kunst das Gift zu verfertigen, doch jene reizende Eigenschaft der Rinde, an der noch Gummi hängt, ist überall bekannt wo der Baum wächst. Auch glaubt man daß das Haar davon ausfällt. Blüht im Junius. Vorher wirft er die Blätter ab, wächst bloß in großen Wäldern in nicht sehr hohem, gutem Boden. Der Verf. fand den Baum zuerst in der Provinz Poegar auf dem Wege nach Banjoewangie. Der Stamm des größten in der Provinz Blambangan hatte einen Durchmesser von 10′ nahe an der Erde. Nachher fand er ihn auch in Japara, Passooroowang u. s. w. Die Einwohner fürchteten sich vor Entzündungen der Haut und Augen, und wollten deßwegen dem Vfr im Sammlen des Saftes nicht gern behülflich seyn; doch dieses findet nur bei schwerem Verwunden oder Fällen des Baumes statt. Der Stamm ist immer dicht von Gesträuch umgeben.

Beschreibung des Tshettik. Der Vfr fand das Gewächs nicht in der Blüthe. Eine windende Staude, die weit unter und über der Erde fortkriecht, so wie auch gegen die Bäume. Aus der Rinde wird das Gift bereitet. Die Blätter sind opposita, pinnata, 2–3 paria, ovato-lanceolata, integra, acuminata, glaberrima, lucida, breviter petiolata, rami cirrhosi? Ist ein seltenes Gewächs in den Wäldern. (Ist Strychnos Tieute des Leschenault).

Bereitung des Antshar-Giftes. Acht Unzen Saft wurden vermischt mit dem ausgepreßten Safte des Arum Nampoo, Kaempferia Galanga, Amomum Zerumbet Var., Zwiebeln und Knoblauch, von jedem 1/2 Drachme mit eben so viel zerstoßenem Pfeffer. Dann nahm der Javaner eine ganze Frucht des Capsicum fruticosum, nahm daraus vorsichtig jedesmal ein einzelnes Samenkorn, und warf es in die Mitte der Mischung, und wartete jedesmal bis der Same, der anfänglich hin und her gezogen wurde, in Ruhe kam. Mit dem 3ten Samenkorn hörte die Erscheinung der Bewegung auf, ein Zeichen daß das Gift fertig ist. Der getrocknete Saft des Antshar kann, wenn er gut in verschlossenen Gefäßen verwahrt war, ebenfalls angewandt werden. Er wird dann vorher aufgeweicht.

[96] Das Tshettik-Gift. Dazu nimmt man die Wurzelrinde. Der zur Syrupconsistenz eingekochte Absud wird auf eben die Art mit Gewürzen und Säften vermischt wie vom Antshar gesagt ist.

Beide müssen in genau verschlossenen Gefäßen verwahrt werden. –

Versuche mit dem Antshar-Gift auf Thiere.

Von einem mit frischem Gift bestrichenen Pfeile starb ein damit verwundeter Hund in 26 Minuten, ein anderer in 13 Min., Lemur volans vom bloßen frischen Saft am Ohr verwundet in 20 Min. Eine junge Otter am Anus verwundet mit Gift, das mit etwas extract. Stramon. vermischt war, starb in der 25ten Min. Ein kleiner Hund von dem bloßen unzubereiteten Safte, in die Hüfte gebracht, starb mit der 14ten Minute. Eine Ardea von demselben Safte in 6 Min. Eine andere von dem rohen Safte eines andern Baumes in 20 Minuten. Vom zubereiteten Gifte, an der Vorderhüfte eine Maus in 10 Minuten. Von Gift an einem andern Ort bereitet, starb ein Hund in 29 Min. Ein kleiner Hund, vom bloßen Safte in 19 Min. Ein kleiner Affe mit dem zubereit. Gifte in der Hüfte in 7 Min. Eine Katze in 15 Min. Ein an der inneren Hüftseite mit Gift verwundeter Büffel starb in der 130ten Min. Eine Eule in 24 Min. Ein durch einen von Bali erhaltenen vergifteten Pfeil an der Hüfte verwundeter Hund, starb in 55 Min. Ein anderer mit von Borneo erhaltenem Gift verwundeter, in 15 Min.

Versuche mit dem Tshettik Gift. Die Erscheinungen und Wirkungen waren größer und heftiger. Vor dem Tode giengen Zuckungen, Erbrechen, Beängstigung, beschwertes Athmen, heftige Ausleerungen u. s. w. vorher. – Das Gift wurde immer an Bambus-Pfeile gestrichen und mußte vorher lufttrocken seyn, am wirksamsten nach 24 Stunden. Tshettik würkt nicht allein heftiger als Antshar, sondern auch auf verschiedene Art. Dieses mehr auf den Magen und Darmkanal, Respirations- und Circulationssystem, dahingegen Tshettik das Gehirn- und Nervensystem mehr afficiert.

Leschenault sah von der Tshettik-Pflanze ebenfalls weder Blüthe noch Frucht. –

XI. Skizze von Borneo vom verstorbenen Dr Leyden. Sehr interessante Nachrichten über diese große und noch in mancher Rücksicht ganz unbekannte Insel. Die Rohheit und barbarischen Gebräuche der Dayac erschweren die Untersuchungen daselbst sehr.

Empfohlene Zitierweise:
Lorenz Oken (Hrsg.): Isis. Brockhaus, Jena 1817, Seite 95–96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Isis_1817_48.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)