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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis

nicht so vom Jurist gilt, der in einen andern Stand ausreißen kann.

Dann muß nachfolgen der Adel, und unter diesem namentlich der General mit einigen Obersten. Diese müssen dem Wehrstand sein Recht, vertreten zu werden, nicht nehmen lassen. War er es doch vor Zeiten vorzüglich und fast allein, der die Landtage ausmachte. Wie soll er jetzt so gesunken seyn, daß er nicht einmal mehr Stimme haben, ja wie das scheußliche Beispiel neuerlichst in Hessen zeigt, nicht einmal mehr das Recht haben soll zu bitten, ja dieses ein Verbrechen seyn soll, wodurch dieser Stand mithin mehr als unter den Sklavenstand gesetzt wird. Der Soldat wird sich doch nicht vom Juristen überwinden lassen!

Dann folgt Se. Hochwürden der General-Superintendent, billig als Bischoff des Landes. Dem Rang nach eigentlich zuerst. Hier reden wir aber nur von denen, deren Pflicht es ist, zuerst aufzutreten, die es am unbedenklichsten wagen können, gegen das Juristengemächte aufzutreten, und sich ihrer Haut zu wehren. Der General-Superintendent müßte durch ein Circularschreiben (das wird doch nicht gesetzwidrig seyn) alle Superintendenten, und diese alle Pastoren auffordern, sich zu einer Protestation gegen die Ausschließung von dem Recht an die Landstandschaft durch die Juristen, zu vereinigen, und diese Protestation bei nächstem Landtag einzulegen, was dann hoffentlich unsere Universität und unsere Generalität gleichfalls thun werden. So weit wie bei den unglücklichen Hessen ist es bei uns nicht gekommen, daß man nicht Petitionen und Protestationen eingeben dürfte: und das Zeugniß muß jedermann bisher unserer Regierung im Ganzen wie deren meisten Gliedern im Einzelnen geben, daß sie Liberalität besitzt und übt, und nichts von Despotismus weiß; wenn sie auch gleich nicht von dem durch die Franzosen überall hingebrachten Streben, alles unter sich zu stellen, frei geblieben ist. Könnten wir ihr nicht dieses – von unserer Seite freilich unbedeutende (wenn es nicht mit der Zeit wächst) Lob geben, so würden wir es nicht wagen, hier zu sagen, was wir sagen. Auf diese Art kann auch unsere Unbedeutenheit Werth erlangen.

Ueberhaupt ist es nicht wohl zu begreifen, wie die alten Stände, deren Einrichtung fehlerhaft erkannt ist, den neuen Ständen, die erst aus der Volkswahl hervorgehen, schon eine Verfassung als fertig auflegen dürfen; da sie sich billig hätten auf die bloße, auch nur zeitige Wahlordnung beschränken, [80] und alles Uebrige den ächten Volksständen überlassen müssen.

Noch müssen wir beifügen, daß wir nicht recht wissen, warum das Bestreben, diese Verfassung heimlich zu untergraben, für Hochverrath erklärt wird. Sollte eine Verfassung, die sich durch heimliche Kraftanstrengungen übern Haufen werfen läßt, wohl werth seyn, daß deßhalb ein einziges Haar gekränkt wird? Was sich nicht selbst halten kann, mag immerhin zu Grunde gehen. Es taugt nichts, und ist den äußern Kraftaufwand nicht werth, der zum Halten erfordert wird. Wenn eine Staatsverfassung gut ist, so freut sich ihrer jedermann, und den möchten wir sehen, der sie umwerfen, gar heimlich untergraben könnte, ohne ausgelacht zu werden. Wie! wenn aber ein Fürst die Verfassung umstoßen wollte? Für was will man dann dieses Bestreben erklären, und was will man machen, wenn sie nicht unter die Gewähr des deutschen Bundes gestellt ist? Für uns ist diese Frage überflüssig, sofern etwas aus einem deutschen Bund werden sollte, könnte, wollte, dürfte. Wir reden aber hier für alle Deutsche.

Soviel für heute von der Grundlage einer ständischen Einrichtung. Von den, den Ständen eingeräumten Rechten haben wir schon geredet. Sie sind für die, welche sie entworfen, wie für die, welche sie gebilligt, und für den, der sie genehmiget, gleich ehrenvoll.

Nun vom zweiten Satz: daß wir kein Grundgesetz der Staatsverfassung, keine Charta Constitutionis haben.

Welche Rechte die Stände haben, wissen wir zwar; allein es sind meist nur allgemeine Rechte, und meist nur solche, welche erst durch Abstimmung Kraft erhalten sollen. Wäre es demnach möglich, daß die Stände gleicher Gesinnung mit Regierung und Fürsten würden, und daß dieses nicht selten geschieht und geschehen ist, daß sie meist nur die Jaherren und Geldmaschienen der Fürsten gewesen, sind allgemein bekannte Dinge, wenn sie also, sagen wir, nur furchtsame oder wohldienende Jaherren werden, so kann das despotischste Gesetz und die drückendste Steuer durchgehen. Also geschrieben müssen die Rechte seyn, welche das Volk hat, nicht der Abstimmung der Stände müssen sie überlassen bleiben. Von diesen geschriebenen Rechten haben wir aber genau genommen nur ein einziges, und das hat der Fürst für sich hinzugesetzt; es ist die Freiheit der Presse.

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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis. Brockhaus, Jena 1817, Seite 79–80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Isis_1817_40.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2018)