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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis


Verfassung selbst, ja noch nicht einmal das Grundgesetz der wirklichen Verfassung, wir sagen das, obschon wir von Geschäftsleuten vernommen haben, daß man das, was wir haben, als Staatsverfassung betrachten müsse, und daß nichts weiter darinn kund gethan würde. Daß dieses nicht der Fall seyn kann, daß solche Leute sich irren müssen, daß sie nicht unserer Regierung und den Ständen aufbürden dürfen, sie gäben uns ein Grundgesetz der ländständischen Verfassung, in gewissem Betracht nur eine Landstandordnung für ein Grundgesetz der Staatsverfassung, für die Charta Constituitionis, werden wir weiter unten, wenn wir die Hauptpuncte aus dem Grundgesetz werden angegeben, und darüber einige Betrachtungen angestellt haben, zeigen, und, da nicht schwer ist was augenscheinlich ist, es auch beweisen. – Wenn daher der Eifer für unser Grundgesetz bisher sich nicht so rege gezeigt hat, wie man erwarten durfte; so kommt dieses lediglich daher, daß niemand wußte, woran er war, ob er noch eine eigentliche Charta Constitutionis, worinn die Rechte des Volks mit nackten Worten ausgedrückt sind, und nicht bloß der jedesmaligen Meinung der Stände überlassen bleiben, zu erwarten hat, oder ob es gar mit der Landstandordnung abgethan seyn soll, wie mehrere, die sich für unterrichtet hielten, ausstreuten.

Als Landstandordnung ist das Grundgesetz über die Landständische Verfassung gewiß vortrefflich, und enthält schon sichtbar die Keime zu einer Staatsverfassung, die, wenn sie erst aufgegangen, und kein rauher Wind darüber fährt, die seegenreichste Aernte versprechen. – Von den äußern Verhältnissen dieser Ordnung, von den Wahlen, deren Einrichtung mit vieler Vorsicht und Klugheit, vielleicht mit mehr als bei Deutschen nöthig ist, angelegt, von den Verhältnissen der Stände als Individuen udgl. können wir hier nicht reden, wäre auch sehr am unrechten Platze, da Wichtigeres anzuführen und zu rühmen, aber auch Wichtigeres in Erinnerung zu bringen ist, was man, wenn obige Aussage gegründet wäre, außer Acht gelassen hätte.

„Es besteht also

1. In dem Großherzogthum S.W.E. eine Landständische Verfassung (wohlgemerkt nicht Staatsverfassung), welche allen Theilen des Großherzogthums, als einem Ganzen, gemeinschaftlich ist.

2. Drei Stände sind in dem Gr. S.W.E. als Landstände anerkannt: der Stand der Rittergutsbesitzer, der Stand der Bürger, und der Stand der Bauern.

[68] 3. Diese drei Lanbstände, und in ihnen sämmtliche Staatsbürger werden durch Männer vertreten, welche aus ihrer Mitte, durch freie Wahl, als Landständische Abgeordnete, hervorgehen.

4. Alle den Landständen zukommende Rechte können nur durch diese gesetzlich erwählten Vertreter, in der Art und unter Bedingungen, ausgeübt werden, wie solches in gegenwärtiger Verfassungs-Urkunde, als einem Grundgesetze des Gr. S.W.E., niedergeschrieben ist.

Es stehen den Landständen zur Ausübung durch ihre Vertreter folgende Rechte zu:

1. Das Recht gemeinschaftlich mit dem Landesfürsten, und den von diesem beauftragten Behörden, die Staatsbebürfnisse, so weit dieselben aus Landschaftlichen Cassen und aus dem Vermögen der Staatsbürger zu bestreiten sind, zu prüfen und die zu ihrer Deckung erforderlichen Einnahmen umd Ausgaben festzusetzen (Bestimmungen der Etats.)

2. Das Recht, über jede Besteuerung und andere Belastung der Staatsbürger, so wie über jede allgemeine Anordnung, welche darauf Einfluß haben möchte, ehe sie zur Ausführung kommt, gehört zu werden; dergestalt, daß ohne dieses Gehör, und ohne ihre, der Landstände, ausdrückliche Verwilligung, weder Steuern oder andere Abgaben und Leistungen im Lande ausgeschrieben und erhoben, noch Anleihen auf die Landschaftlichen Cassen und das Vermögen der Staatsbürger gemacht, noch sonst Finanz-Maßregeln ergriffen werden dürfen, welche das Landes-Eigenthum, oder das Eigenthum der Staatsbürger in Anspruch nehmen, oder die Gefährdung des Landständischen Interesse nach sich ziehen könnten.

3. Das Recht, die Rechnungen über bestrittene Staatsbedürfnisse, der oben erwähnten Art, zu prüfen, und sowohl über darin bemerkte Anstände Auskunft, als überhaupt über die Verwendung von Einnahmen Landschaftlicher Cassen, und aus dem Vermögen der Staatsbürger, Rechenschaft zu verlangen.

4. Das Recht, dem Fürsten Vortrag zu thun, über Mängel und Mißbräuche in der Verwaltung des Landes, mit gutachtlichen Vorschlägen zu Abstellung derselben.

5. Das Recht, bei dem Fürsten Beschwerde und Klage zu erbeben, gegen die Minister und gegen andere Staatsbehörden, über derselben Willkühr, und über deren Eingriffe in die Freiheit, die Ehre und das Eigenthum der Staatsbürger, so wie in die Verfassung des Landes.

Empfohlene Zitierweise:
Lorenz Oken (Hrsg.): Isis. Brockhaus, Jena 1817, Seite 67–68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Isis_1817_34.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2018)